Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 13.

94 - Das Drama im Kaiſerſchloß.

Audienz kam ihm zu überraſchend, er mochte etwas wie Scham empfinden, daß Kutaiſſow ihn bezüglich ſeines An= liegens überrumpelt habe.

Dieſer wußte jedo<h die für ſein Jutereſſe richtige Stimmung des ſhwachmüthigen Despoten herzuſtellen, in= dem er zu demſelben ſagte: „E83 war ja voraus zu ſehen, Sire, und. ih rermeinte, Sie darauf vorbereitet zu haben. Graf Sorin hat geſtern Abend mit Seiner kaiſerlichen Hoheit dem Großfürſten Alexander ſein Vorhaben beſpro= <hen, Audienz zur Werbung um Fräulein Alexa zu ex= bitten. Eure Majeſtät werden gewiß geruhen, ihm Jhre allerhöchſte Entſcheidung zu eröffnen.“

Darauf winkte der Zar ſeinem Adjutanten, und Ku= taiſſow zog ſich in die entlegeneren Gemächer zurü>. —

Mitten in ſeinem Zimmer ſtehend, empfing der Zar in der ſteifen, gebieteriſhen Haltung eines höhſten Vor= geſeßten den Angemeldeten, der ſih vorſchriftsmäßig gleich beim Eintritt auf die Kniee niederließ und das Antliß zu Boden geſenkt hielt.

„Was haben Sie Jhrem Herrn und Kaiſer zu ſagen ?“ redete ihn der Zax in kurzem, ſ{<hneidigem Tone an. „Jh geſtatte Jhnen, ſi< zu erheben und zu ſprechen, Graf Sergei Sorin.“

Dex junge Mann war oft genug im Palaſt mit dem Zaren in perſönliche Berührung gekommen, um die bizarren Manieren deſſelben niht mehr überraſchend zu finden. Seit den viereinhalb Jahren, daß Paul T. auf dem Throne Rußlands war, hatte ex ſi<h mehr und mehr zu einem aſiatiſ<en Despoten umgewandelt.