Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 2.
Kriminal-Novelle von B. v. Wolfshofer. 129
Das Leben hatte ihm ſo viele Schläge verſeßt, daß er nun niht plößlih auf lauter Liebkoſungen gefaßt ſein konnte. Ex war außerdem eine ſtarke Natux, eine Eiche, in deren Aeſtén und Zweigen der Sturm wohl manche Verwüſtung anrichten konnte, aber der Stamm blieb feſt gewurzelt im Erdreich. Der rührte ſich niht. Um den zu fällen, bedurfte es einer Axt, wie ſie ſo leicht nicht geſchmiedet wird, eines Blibſtrahls, welcher ſchneller als der Gedanke hereinſtürmt und praſſelnd, verheerend von der oberſten Laubkrone herab bis in die Wurzeln dringt.
Wieder verging einige Zeit, während welcher Sir Fran-= cis die Stunden zählte — nein, die Minuten, nach welchen ſeine Gäſte eintreffen müßten.
Indem er ſo die Zeit zergliederte, bekam ex das neueſte Tagesjournal in die Hände, in welchem eine telegraphiſche Nachricht ihm ſofort in die Augen fiel.
Während ihm das Blut faſt in den Adern ſtockte, während ſein Herz ihm ſtill zu ſtehen drohte, las er:
„Ein entſebliches Ereigniß hat in Dover ſtattgefunden. Jm Hotel de Calais logirte ſich eine Familie ein, welche eben aus dem Funern Jndiens kommend, ihren einzigen Verwandten in England, Six Francis Aberdeen auf Aber= deenhouſe, beſuchen wollte. Sie beſtand aus zwei Schweſtern, von denen die Aeltere, die Wittwe eines Kapitäns der indiſchen Garden, ihren. jungen Sohn bei ſich führte. Die Reiſenden, welche von den Strapazen der weiten Seefahrt ſihtlih ermüdet waren, hielten ſi< abſeits von jedem Verkehr mit den übrigen Gäſten des Hotels. Sie ſuchten ſchon frühzeitig am Abend die beiden neben einander lie=
Bibliothek. Jahrg. 1886, Bd. 17, 9