Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 2.
138 Ein Schatten.
heit gewohnt, und nun von einex engen Zelle umſchloſſen. Die Sonnenſtrahlen, welche ſie ſo ſehr liebte und in denen ſie wie ein buntex Falter fo gern auf und nieder gaukelte, ſie drangen nicht zu ihr in den ſchmalen, länglichen Naum, der ſich wie ein Grab ausnahm, wie ein richtiges, mo= deriges Grab, in welches man ſie geſperrt hatte, no< iwwährend ſie lebte. 3
Das arme junge Mädchen frox. Es ſchauerte zuſam-= men. Ein Schauder überlief den ſchlanken, jugendlichen Körper, wie wenn ſie, das ſonnengewohnte Mädchen, mit einem Male in die ſchneegefüllten Schluchten des Himalaya verſeßt worden wäre.
Die Sonne, das bedeutete für Ellen Aberdeen das Leben. Schließt von einem Hindumädchen die glühenden, vibrirxenden Strahlen ab, und ſie wird hinſiechen wie die Pflanze, welche man aus dem Erdreich geriſſen, in welchem ſie bi8her gewurzelt,
Im fernſten Norden des blühenden Sonnenlandes, welches ihre Heimath, re>t ſich ein ſteiles, ewig ſchneez bededtes Gebirge in die Lüſte. Es iſt der Himalaya. Und dex Vater hatte ihr erzählt, daß die Sonnenſtrahlen dort keine exwärmende Kraft beſiben, daß das Waſſer, zu glißerndem Kryſtall verdichtet, dort nimmer fließen fann. Sie hatte es ſich ſtets als die härteſte Strafe für den Menſchen vorgeſtellt, wenn ex in eine folche Schlucht des Eisgebirges verbannt oder verſchlagen würde. Aber heute däuchte ihr dieſe mild, gelind im Vergleich zu dem Kerker= leben, welches ihr jeht beſchieden.
Ellen Aberdeen unterſchied ſi<h merkli<h von ihrer