Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 2.
— Sutera vn fria
Roman von Georg Hartwig. 65
unentbehrlih, wenn ex au< der Urheberin in den meiſten Fällen gar niht gedachte. Frma’s Name kam über keine Lippe. Dagegen Hatte Tante Käthe mit Dreyſing eine lange und eindringliche Unterredung, welche den unerhörten Schritt der jungen Frau ohne Voruxrtheile beleuchtete und zu dem Reſultat führte, daß die Stiftsdame dem Juſtizrath eingeſtand, ihre Prognoſe dieſer Che ſtünde mit deren Schlußeffekt völlig in Einklang.
„Es iſt dies ein Ergebniß,“ ſagte Tante Käthe nachdenklih, „welches den alten Zweifel von Neuem anfacht; ob wir bei Eingehung einer Che die Fähigkeit haben, für die Dauer unſerer Gefühle mit einem Eide einzuſtehen. Faſt möchte man Nein ſagen. Dieſes Paar! Es hätte auf ſeine guten Vorſäße Welten gebaut. Laſſen Sie mich ehrlich ſein: mein Neffe hätte dieſes Mädchen nie heirathen dürfen!“
„Nein! Auch ohne Freiberg's Dazwiſchenkunft würde die ſchiefe Bahn, auf welche ihre heterogenen Anlagen Beide geriſſen hatten, zur Kataſtrophe geführt haben. Dieſer erſte Sturm bewies, wie entwurzelt der innere Zuſammen= hang beveits war.“
„Und war es nun denno< Liebe, was Beide einſt ſo ſelig gemacht?“
„Gewiß! Die Vorausſehßungen dieſer Che waren ſogar ſehr günſtig,“ ſagte Dreyſing lebhaft. „Aber der Meiſter und Bildner hat den Edelſtein zu hart angefaßt, bis ex ihm unter der Hand zerbrach.“
„Das alte Lied von der Triglichkeit unſerer Weisheits-= ſprüche!“ rief Tante Käthe mißbilligend. „Die Gegenſäße
Bibliothek, Jahrg. 1886, Bd. TT. 5