Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 2.

ES A

Roman von Georg Hartwig. 67

in dieſe Freiheit hinaus, unter Hundert werden Neunzig mit Entſeßen davon fliehen, und die bleibenden Zehn ſind dann der ſprechende Beweis für die unbefle>t bleiben wollende Keuſchheit des Geſchle<hte8.“

„So würde das Reſultat ausfallen, gottlob!“ ſagte Dreyſing beifällig. „Ob aber Natur oder Kunſt den Sieg hier exfiht? Dex Charakter iſt angeboren. Deshalb be= hält das urſprüngliche Empfinden ſein Recht.“

„Wer würde Jrmengard getadelt haben, wenn fie nah reifer Ueberlegung ein Band zu löſen wünſchte, welches Beide niht mehr zu befriedigen vermochte? Aber dazu beſaß ſie vorläufig weder Erfahrung noh geiſtige Reife. Eie kannte das Leben viel zu wenig, um zu wiſſeu, ob der Preis ihr großes ſittliches Opfer aufwiegen würde. Wäre ſie meiner geiſtigen Schule entwachſen, nie hätte ſie dem Gedanken an eine heimliche Flucht Raum gegeben. Dafür mache ih zunächſt Jrmengard's Erzieher verant=z wortlich.“

„Jh danke Jhnen ,“ ſagte Dreyſing, die Hand der Stiftsdame an ſeine Lippen drückend, „daß Sie meinen armen, wilden Liebling niht rettungslos den Ausgeſtoßenen zuzählen. Ein edles, h:ißes Herz kann irren, aber die Flammen brauchen niht immer zu verzehreu, ſie können auch reinigen. Für jezt mag Jhr Neffe die Enttäuſchung tiefer empfinden, Jrma's leidenſchaftliches Gefühl aber läßt mich fürchten, daß, wenn einſt die Reue über ſie kommen ſollte, ihr Schmerz verzweiflung8voll auf ſie einſtürmen wird.“ :

Tante Käthe nite. „Was Jrma's Liebe zu Freiberg