Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

Novelle von E. Merk. 129

ſagen. Dank den trefflichen Einrichlungen der deu: ſchen Polizei wäre mix dieſe Ermittelung ja niht unmöglich ges weſen; aber mix fehlte der Muth zu einer Nachforſchung. Ein alter Familienbekannter verſicherte mix, Emilie halte mi für todt, und mein Wiederauftauchen würde ihr einen großen Schre>en bereiten.

Den Augenbli> wollte ich ni<ht erleben, da ihre einſt ſo heiß geliebten Augen mi<h anbli>en würden wie ein Geſpenſt der Vergangenheit! Lieber wollte ih ſie nie wiederſehen, nie die Jdylle ihres Lebens -ſlören! J< fühlte mi verbittert und redete mix ein, mein Herz ſel zu alt und hart geworden, um no< Glü> und Liebe be= gehren und gewähren zu können, Zum zweiten Male wollte ih über den Ocean fortziehen — für immer; entz täuſchter als in den Jugendtagen, ein cinſamer, von dtex Heimath ausgeſtoßener Mann.

Sie wiſſen, mein Fräulein, wie dieſer Entſchluß in der elften Stunde vereitelt wurde! Aber eines muß ih Jhnen roh ſagen, daß mit einem Schlage alle meine warmen deutſchen Gefühle wieder erwacht ſind, daß mein Herz nicht todt und hart iſt, wie ih geglaubt; daß ich voll Mitleid an meine lange, lange Herzensdde denke! Mix war e; als i< Emilie ſo plößli<h wiederſah, als ſeien wir uicht vor Jahren, nux vox wenigen Tagen geſchieden. Spurles iſt die Zeit an dem ſüßen, blouden Haupte vorüber ge= gangen. Wie einſt die Achtzehujährige, von der ih mit bſutendex Scele Abſchied nahm, umfließt ſie ein duftiger, mädchenhaſter Liebreiz, der nux ihr eigen iſt. Und dochihr Weſen iſt ein anderes geworden, Wäre ſie ſonſt hiex

Bibliothek, Fahrg, 1886, Bd, YI, 9