Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

142 - Unter einem Dache.

ſprochen und ihm nun die Hand entgegen gereiht. Er drüd>te ſie herzlich. |

„Es iſt ſehr traurig für mich, daß das ſein muß!“ ſagte ex betrübt. „Jch werde meine Einſamkeit nun doÞ= pelt und dreifach fühlen, ſeit ih einem ſo verſtändnißvollen, ſympathiſchen Mädchen begegnet bin, wie Sie mix vom erſten Blike an erſchienen ſind. Aber ih verſtehe und ſchäße Jhren Beweggrund und möchte Sie niemals über= reden, eine Pflicht und ein Wort zu brechen. Gewiß, mein Fräulein, ih bleibe Fhnen für alle Zeit ein guter Freund !“

Bertha hatte ſich erhoben; ſie mußte na<h den ſelt= ſamen Erlebniſſen der lebten Stunden wieder Ruhe und Sammlung gewinnen.

Marwell’s Züge drü>ten tiefe Betrübniß aus, als er ihr nun zum leßten Male die Hand ſchüttelte; das “that ihr weh. Ein Dru>k lag ihr auf dem Herzen, den ſie nie empfunden hatte. Langſam ſtieg ſie die Treppe empor und ging nachdenkli<h im Flux auf und ab. Sie verſtand ſi ſelbſt niht mehr. Es war ihr, als ſähe ſié plößlich mit anderen Augen. Auch der Amerikaner, an den ſie am Morgen noh ſo gleichgiltig gedacht, erſchien ihr in einem neuen Lichte, ſeit er ihr ſeine Neigung an den Tag gelegt. Wie freundli< ihr nun ſein Bild vor der Seele ſ<webte, wie liebenswürdig ſie ihn fand! Sie lächelte über ſih ſelbſt; ſie ſchalt ſi eine alte Thörin, die von einer wunderlichen Frage völlig aus dem Geleiſe geriſſen worden, und konnte doch das neue, ſhmerzli{hz ſüße Gefühl niht unterdrü>ten, daß einmal ein Mann