Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

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wägungen. Mein Bräutigam hatte nur ſeine Lieutenantsgage. Dadur< gerieth er von vornherein in eine ſchiefe Stellung und in eine Abhängigkeit von der Schwieger=mutter, die für ſeinen Stolz ſehr verleßzend war. Ach, vas auh die Welt über die Motive ſeiner Wahl geſagt haben mag, ih bin der feſten Ueberzeugung, daß die „gute Parthie“ ihn nicht angelo>t hat. Er wax ganz und gar niht dazu veranlagt, ſeine Seele dem Nüßlichkeits= prinzipe zu opfern. Und dann — ih weiß es ja gewiß, daß er mich lieb hatte! Er ſagte man<hmal ſo liebe, zärtz liche Worte, wie nur ein etes, tiefes Gefühl ſie eingeben fann. Ex ſagte ſie aber nur, wenn wir allein waren. Wirx waren aber leider nur ſehr ſelten allein, und ih hatte ſo wenig Verſtändniß für ſeine Liebe, daß ih ihn verwundert anbli>te, wenn ſein Geſicht bei einem glü@äli<h erhaſhten Alleinfein plößlih aufleuchtete, daß ich's niht begriff, warum Mama's Nähe ſeine Stimmung ſtets vex= änderte. Wir hatten die erſte Scene, als er ſi< weigerte, um ſeine Verſeßung in unſere kleine Stadt einzukommen und mich mit den zärtlichſten Worten beſ<hwor, mih von der Mutter zu trennen und ihm in die Reſidenz zu folgen. Die Mama hätte es damals für undenkbar gehalten, die Provinz zu verlaſſen; ich aber bra bei dem Vorſchlage in heftige Thränen aus, nannte Eberhard lieblos und abſcheulih und verſicherte, daß ih eher ſterben al3 von meiner guten, ſüßen Mama mich entfernen würde. Meine Thränen und der feſte Wille der Mutter ſiegten. Eberhard ließ ſi in unſere Stadt verſeßen. J<h hatte feine Ahnung, welches Opfer er mir brachte. Für mi