Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

Novelle von E, Merk, 149

gab es eben fein anderes Leben, als das gewohnte unter dem ganzen Kreis von Verwandten und Bekannten, die mir ſ{<meichelten und meinen Bräutigam den beneideng8= wertheſten Menſchen unter der Sonne rannten. Mama zog mit uns in die hübſche kleine Wohnung am Parade= plas, in weler das neue Leben begann. Kein friedvolles, tein Heiteres Leben. Die Mutter hatte ſi<h’s wohl niht re<t flar gemacht, daß nun ein Anderer Herr im Hauſe ſein und ſeine Rechte geltend machen würde, ſondern hatte ſi<h in dem mittelloſen Lieutenant einen re<t fügſamen Schwiegerſohn heranzuziehen gehofft. Eberhard kämpfte anfangs mit Humor und heiterem Wiß für ſeine Freiheit; aber das machte- die Sache nux ſ{limmex, die Mutter verſtand keinen Spaß. Sie wurde heftig über den erſten Widerſpruch, den ſie erfuhr, und endlich verlor au< Eber= hard die Ruhe und die Geduld. Stelle Dir nux vor, Bertha, wie es einem fünfundzwanzigjährigen Offizier, der bisher in freidenkenden, flotten Kreiſen gelebt hatte, in dem Formenfram und der Engherzigkeit unſeres kleinen Neſtes zu Muthe geweſen ſein mag, welche Folterqualen er unter der ewigen Bevormundung meiner Mutter ausgeſtanden haben muß.

Der Mutter galt alles Hergebrachte für re<t und gut; alle eingewurzelten Vorurtheile waren ihr heilig; fie ver= theidigte dieſelben mit der Wuth einer gereizten Löwin gegen die freieren Leben2anſ<hauungen ihres Schwiegerſohnes, der ſeine junge Frau zu ſeiner Denkweiſe heran=zuziehen verlangte. Zwiſchen dieſen beiden um die Herr= ſhaft ringenden, ſo grundverſchiedenen Menſchen ſtand nun