Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

150- : Unter einem Dache.

ich, ein vexwöhntes Kind, das nie zu einem klaren Urtheile erzogen worden war und deshalb blindlings der Mutter folgte. Daß mein Mann, der Mann dieſer hübſchen, luſtigen, gefeierten Emilie, welcher ſeit den Kindertagen nur füße Schmeicheleien von all’ den Tanten und Couſinen geſagt worden, nicht glü>lich ſein könne, das ſchien mir unbegreiflich. J< fing an mit ihm zu ſhmollen, und da er zuweilen Heftig und aufbrauſend war und mit einer ganz unheimlichen Gluth in den Augen an der Unterlippe nagte, ſ{<li< ſich eine bange Furcht vor ihm in mein ſchwaches, thörichtes He2z.

Sm Frühjohre nah unſerer Verheirathung mußte Mama wieder nah Ems; ih ſollte ſie begleiten. Cberhard haite feinen Urlaub. F< freute mich faſt, daß nun einige Wochen ohne Streit und Zank vorübergehen würden und pacte mit findiſhem Vergnügen eines Morgens meine neuen, ele= ganten Kleider in die Koffer, als mein Mann in mein Zimmer trat. Er lächelte, da ex mi allein ſah, nahm meine Hände in die ſeinen und ſagte mit einer ſanften, zärtlichen Stimme , in faſt zitternder Bewegung: „Liebes, feines Frauchen, wie wär's, tvenn Du hier bliebſt bei mir? Wenn wix Zwei ſo re<t vergnügt in der ſtillen Wohnung beiſammen ſäßen, oder in's Theater gehen, [paz zieren fahren würden, ganz als wären {vix ein neu verz heiräthetes Paar auf der Hochzeitsreiſe! Wix haben uns noch fo wenig unter vier Augen geſehen, Schaß! Wix müſſen uns erſt re<t kennen lernen, und ih will ſo lieb mit Dix ſein, Emilie, wenn Du die Kleider aus dem Koffer nimmſt und dex Mama ſagſt: Viel Vergnügen in Ems! J<h bleibe bei meinem Mann!“