Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

Novelle von E. Merk. 15

O Bertha, wel<" ein Stein lag doh auf meinem Herzen, welcher Schleier über meinen Gedanken! Heute durchrieſelt mi ein ſüßer Schauer, wenn ih mi< an jene Worte, an jenen Ton der Liebe erinnere, und damals hatte dieſer Klang ſo wenig Macht über mic, daß i< nur voll Angſt an den mütterlichen Zorn, voll Schmerz an das Opfer der Reiſe dachte, auf die ih mi gefreut, bis endlich große Thränen auf meine ſ{hönen Kleider herunter=z tropften, vor welchen ih mit traurxigem Geſichte kniete, ohne eine Antwort zu finden. Als Eberhard ſah, daß i< weinte, kehrte der finſtere Zug wieder in ſein Geſicht zurü>. „Wenn es Dix ſ<hmerzlih ſcheint, zu bleiben — ſo geh?!“ ſagte er. „Jh fordere kein Opfer !“ j

„Die Mama würde ſo böſe fein!“ ſ{lu<zte ih. „F< darf ſie nicht allein laſſen.“

Ein trauriges Lachen, ein Ton, der halb wie ein Stöhnen, halb wie Hohn klang, kam von ſeinen Lippen.

„Wenn Du die Wahl hätteſt, Emilie,“ ſagte er dann ſehr düſter, „zwiſchen mir und Deiner Mutter, Du würdeſt wohl nicht zögern und Dich für ſie entſcheiden — gegen mi<!“ i

„Aber Eberhard, warum quälſt Du mich mit folchen Fragen? Du weißt ja doch, daß i< niht leben kann ohne die Mama! Aber warum ſollen wir niht alle Drei zu= ſammen bleiben und uns alle Drei lieb haben? Die Mama iſt gewiß niht böſe; nux ſollteſt Du manchmal etwas nachgiebiger ſein, niht ſo ſpöttiſ<h! Bitte, bitte, lieber Eberhard, ſei, wenn wir heimkehren, ein bis<hen gut mit der Mama!“