Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

Novelle von E. Merk. 159

neben mix her ging dur die leuchtende Sternennacht, da fam mix in dem Mitleid mit dem armen Jungen plößlich das Verſtändniß für das hohe Wunder der Liebe. Nun erſt verſtand ih, daß i< meinen Gatten nur wie ein ver= zogenes Kind geliebt hatte, da er in meiner Nähe tar, und daß ih den Fernen nun liebte wie ein warmfühlen= des Weib mit voller, heißer Leidenſchaft. :

I< ſ<loß die Augen niht in jener Nacht. Jeden Bli, jeden Händedru>, jeden Kuß rief ih mix in die Erinnerung zurü> mit heiß pochenden Pulſen. Jh flüſterte ſeinen Namen mit jenem Ton der Hingebung, den er nie vernommen; ih wachte und weinte und betete in einen Rauſch der Wonne und der Schmerzen.

O Bertha! Das iſt die Emilie, die Dix ſo ruhig und gelaſſen ſchien, die wahre Emilie, wie ſie ſeit Jahren in ſcheuer Slille liebt und leidet und ſi<h verzehrt in namenloſem Sehnen na< Glück, Aber no< konnte ih hoffen, no< lebte in mix ein unexſhütterlicher Glaube an ein Wiederſehen, das ja einmal kommen mußte, wenn es eine Gerechtigkeit gab im Himmel und auf dex Erde! Jahre lang — eine ganze Jugend lang — iſt dieſes Wieder= ſehen mein Traum geweſen, der mi<h aufrecht hielt. Der erſte Blik auf mi<h mußte ihm ja ſagen, daß ich ſein ſei — ſein mit jeder Fibex meines Weſens. Und wenn ih dann in ſeinen Armen lag, wie ſollte die Jahre lange, ſehnſuchtsvolle Liebe mix von den Lippen ſtrömen in Worten und Küſſen, die in einem Augenblice der Selig-z keit Jahre der Trauer vergelten. Immer heißer und zu= verſichtlichexr hoffte ih auf das Wiederſehen, denn — ah,