Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

164 SU Únter einem Dache.

Geſtalt ging unter im Strudel der Wellen, und ſie hatte ſie getödtet! Sie preßte die Hände vors Geſicht, um den Vorſtellungen ihrer erregten Phantaſie zu entgehen; aber ſie konnte die entſeblice, folternde Angſt niht bannen, daß Emilie ſi< ein Leid anthun wolle. :

Endlich, endli<h — ihr wars, als ſeien Ewigkeiten vorübergegangen — hörte ſie den wohlbekannten Schritt die Treppe heraufkommen; aber Emilie ging, mit ſtarr auf den Boden gerichteten Augen, ohne Gruß, einer Nacht=wandlerin gleich, an ihr vorüber, trat in ihx Gema und verriegelte die Thüre.

Die Angſt, die kaum von Bertha gewichen, fehrte zu= rüd; fie kniete auf der Schwelle nieder, ſie drü>te die Augen an das Schlüſſello<h, um zu ſehen, was die Freun= din treibe. Sie ſah, wie dieſelbe Hut und Handſchuhe achtlos zu Boden gleiten ließ, mehrere feine Shächtelchen aus der Taſche nahm und ein weißes Pulver, das in denſelben enthalten war, zuſammen in einen Becher ſtreute. Dann ſank ſie in einen Stuhl, die Augen unverwandt auf das Pulver geheftet. Bertha's Herz krampfte ſich zuſanm= men, ein eiſiger Schre>en war ihr dur< alle Glieder geſchaudert. Alſo ihre fürchterlichen Vorſtellungen wur= den jeßt zur Wirklichkeit: Emilie hatte ſich Gift gekauft fie wollte ſih tödten!

„Emilie! Um Gottes willen! Oeffne mix die Thüre !“ ſchrie ſie auf, ſobald ſie nur einen Ton in ihrer Kehle finden konnte. „F< beſchwöre Dich, um aller meiner Liebe willen, laß mich ein zu Dix!“

Nach einer Weile wurde ihrem Wunſche Folge geleiſtet,