Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

166 - Unter einem Dache.

Bruſt. J<h will ſchreiben, Emilie, was Du wiſſen mußt! Glaub! mix, Du haſt keinen Grund, zu verzweifeln, nur ih habe ein Verbrechen begangen an Dir! — Gib mix Dein Wort, Emilie, Dein heiligſtes Verſprechen, daß Du keinen, feinen — S<hlaf ſuchen willſt, bis Du meinen Brief ge= “leſen; ſ<hwdre mix das, wenn Du mich nicht zum unglü> ſeligſten Geſ<höpf machen willſt auf dieſer Welt.“

Emilie hatte mit großen Augen auf das bewegie Ge= ſicht der Freundin gebli>t. „Cinen Brief? Was fällt Dix ein! Was iſt denn geſchehen zwiſchen Dir und mix, ih bitte Dich —*

Doch Bertha wax ſchon in ihr Zimmer geeilt und hatie ſich eingeſchloſſen. Emilie ſank in ihx dumpfes Brüten zurü®,

Zum Ausgehen gerüſtet, die Reiſetaſche in der Hand, — trat Bertha nac einer Weile wieder vor ſie hin, legte den Brief in ihren Schoß und ſagte dumpf: „Jh gehe jebt fort, ih weiß niht auf wie lange. Lies erſt, wenn ih auf der Straße ſtehe!“

Und als Emilie mit verwunderter Miene frug, was das bedeute, fuhr ſie fort: „Halte mich niht auf, es liegt vielleicht viel an einer Minute! Nux Deine Hand laß mich noch einmal faſſen, Deine liebe, weiche Hand. Wenn wir uns wiederſehen, wirſt Du wohl einen tiefen Groll gegen mich hegen. Jn dem Briefe habe ih Dich ſchon um Verzeihung gebeten. Glaube mix, es war viel, viel Liebe für Dich in meinem Herzen!“

Auf’s Neue exſti>te ein Schluchzen ihre Stimme und fie drü>tte ihre zu>enden Lippen auf die bleiche Wange der blonden Frau und eilte fort.