Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

56 Erſte Ordnung: Affen.

Philippus erhalten worden iſt, wird in Bezug auf den Hamadryas unter anderem geſagt: Schrift hätten die Ägypter in den Hieroglyphen durch das Bild eines Hamadryas ausgedrü>t, weil ſie der Anſicht geweſen, daß eine gewiſſe Art derſelben dieſe gekannt, und daß wegen der Kenntnis der Buchſtaben ſie, die Ägypter, mit jenen, den Affen, verwandt ſeien. Man habe in den Tempeln gedachte Tiere gehalten, und jedesmal, wenn ein Hamadryas in den Tempel eingeführt worden, habe ihm der Prieſter Schreibtafel, Tinte und Feder gereiht, damit er dur< das, was er auf die Tafel ſchriebe, den Beweis liefere, ob er zu jener Art gehöre und zur Aufnahme berechtige. Aus denſelben Gründen ſei auh der Hamadryas dem Merkur, dem Urheber aller Wiſſenſchaft, geheiligt geweſen.

„Jn dieſem Ausſpruche Horopollons liegt viel Wahres. Die Forſchung hat beſtätigt, daß zu den von den alten Ägyptern in den Tempeln heilig gehaltenen Tieren, welche nah ihrem Tode einbalſamiert wurden, und von denen mehrfa<h Mumien gefunden worden ſind, auh der Hamadryas gehörte. Wir wiſſen, daß derſelbe insbeſondere dem Gotte Thoth (Hermes) in ſeiner Auffaſſung als Herr der Schrift und aller Wiſſenſchaft wie in ſeiner Auffaſſung als Mondgott geweiht war, und daß er in verſchiedenen Tempeln, namentlich in Hermopolis, gehalten wurde. Die ägyptiſchen Prieſter, dieſes Tieres Klugheit erkennend, werden es gewiß niht verabſäumt haben, demſelben allerlei überraſchende Kunſtſtücke beizubringen, unter anderem auch das, auf eine Schreibtafel einzelne Zeichen zu malen, welche dann als hieroglyphiſche ausgegeben worden ſein mögen, und es dürfte hiermit vielleicht das vorerwähnte, in den Jnſchriften ſih findende Bild eines ſchreibenden Mantelpavians zuſammenhängen. Weiter wird ini Horopollon erzählt, daß man zur Bezeichnung des Mondes das Bild eines Mantelpavians gemalt habe, weil der wunderbare Einfluß jenes Geſtirnes auf unſer Tier beobachtet worden ſei, indem der männliche Hamadryas von Trauer erfüllt werde über den Verluſt des Mondes, ſih um jene Zeit verberge und keine Nahrung zu ſih nehmen wolle, und indem man an dem Weibchen zu eben jener Zeit einen regelmäßigen Blutfluß wahrgenommen habe. Beides ſei ebenfalls Veranlaſſung geweſen, daß man dieſe Tiere in den Tempeln gehalten habe, um durch ſie die Zeit, in welcher Sonne und Mond in Konjunktion ſtehen, zu erkennen. Die Tag- und Nachtgleichen hätte man ebenfalls durch einen ſißenden Hamadryas ausgedrü>t, und infolge des häufigen und regelmäßigen Waſſerabſchlagens, welches man um dieſe Zeit an dem Mantelpaviane beobachtet, ſei man auf die Erfindung der Waſſeruhren und die Einteilung des Tages und der Nacht in je zwölf gleiche Teile geführt worden. Trismegiſtus, wird dann weiter erzählt, habe, als er in Ägypten geweſen, obige Wahrnehmung in betreff des zwölfmaligen, in gleichen Zeitabſtänden erfolgenden Waſſerabſchlagens an dem Hamadryas gemacht; dies habe ihn auf die Erfindung eines Werkzeuges geführt, welches ein Gleiches gethan, und daher ſtamme die Einteilung des Tages in zwölf Stunden.

„Auth in allen dieſen Ausſprüchen liegt wiederum viel Wahres. Jn den aſtronomi: ſchen Darſtellungen, welche zumeiſt an den De>en der Tempel angebracht ſind, wird der Mantelpavian in deutlichſte Beziehung zum Monde geſeßt. Bald tritt er zur Bezeichnung des Mondes ſelbſt ein, bald erſcheint er in aufrechter Stellung mit erhobenen Händen, in freudiger Erregung den aufgehenden Mond begrüßend, und ebenſo wird das Bild eines ſißenden Hamadryas zux Bezeichnung der Tag- und Nachtgleichen gebraucht. Wie weit nun dieſen Auffaſſungen eine richtige Naturbeobachtung von ſeiten der alten Ägypter zu Grunde liegt, was cs mit dem Einfluſſe des Mondes auf den Hamadryas, mit der Freude über deſſen Wiedererſcheinung, mit der Trauer des Männchens und ſeinem Verſte>en, wenn er des Mondlichtes beraubt iſt, mit dem Blutfluſſe des Weibchens zu eben jener Zeit, mit dem häufigen und regelmäßigen Waſſ erabſchlagen dieſer Affenarten, was es mit alledem für eine Bewandtnis habe: darauf zu antworten, kommt nicht der Altertums-, ſondern der Naturkunde zu.