Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

66 Exſte Ordnung: Affen; erſte Familie: S<hmalnaſen (Menſchenaffen).

iſt es deutſchen Forſchern, Mitgliedern der Güßfſeldtſhen Loango-Expedition, gelungen, junge Gorillas am Leben zu erhalten und im Fahre 1876 ſowie 1883 nah Europa zu befördern, wo ſie unter Obhut von Direktor Hermes im Berliner Aquarium lange genug gelebt haben, um Vertretern der Wiſſenſchaft eine Klarſtellung verwi>elt gewordener Fragen zu ermöglichen. Ferner hat Hugo von Koppenfels, ein leidenſchaftliher Jäger, im vorigen Jahrzehnt mehrmals Reiſen in die Gabun- und ODgoweländer unternommen, um die merkwürdigen Tiere in ihrer Heimat aufzuſuchen. y

Koppenfels iſt bis jezt der einzige Europäer, der nahweisli<h Gorillas in der Wildnis beobachtet und eigenhändig erlegt hat. Er beſtätigt viele der Angaben, die andere, beſonders Neade, nah Hörenſagen berichtet haben, und ergänzt ſie nah eigenen Erfahrungen.

„So unglaublich es auh klingen mag, ſo kann ih doh verſichern, daß ſelbſt unter den jagdliebenden Buſchbewohnern kaum ein Drittel der Bevölkerung jemals einen Gorilla in der Wildnis zu Geſicht bekommen hat. Der Gorilla lebt, bis auf die alten hypochondriſchen Männer, im engeren Familienkreiſe und treibt ſih des großen Verbrauches an Nahrung wegen nomadiſierend umher, indem er da nächhtigt, wo er ſih bei Anbruch der Dunkelheit derade befindet. Er baut alſo jeden Abend ein neues Neſt und errichtet dies auf geſunden, ſ<lank gewachſenen, niht viel über 0,3 m ſtarken Bäumen in einer Höhe von 5—6 m. Dasſelbe iſt ſtorchartig in der erſten Abzweigung ſtärkerer Äſte aus grünen Reiſern angelegt. Die Jungen und, wenn dieſe noh der Wärme bedürfen, auh die Mutter pflegen darauf der nähtlichen Ruhe, wogegen der Vater zuſammengekauert am Fuße des Stammes, mit dem Nücken daran gelehnt, die Nacht verbringt und ſo die Seinigen vor dem Überfalle des Leoparden beſchützt. Jn der tro>enen Fahreszeit, wenn ihm Waſſer und Nahrung im tiefen JFnneren der Wälder knapp zu werden beginnen, ſucht er die Pflanzungen der Eingeborenen heim, dort na<h Affenart große Verwüſtungen anrihtend. Die Eigentümer ſtellen dann Wachen aus, und es gelingt in den meiſten Fällen, ihn dur<h wiederholtes Abfeuern der Flinten zu verſheuhen. Zuweilen kommt es jedo< vor, daß alte Gorillamänner im Bewußtſein ihrer herkuliſchen Kraft, im Vertrauen auf ihre äußerſt ſcharfen Sinne, vom Hunger getrieben, ſih dadur< nicht ſtören laſſen, ſondern nächtlicherweile ihre Verwüſtungen fortſeßen. Die Geſchädigten ſehen ſih dann wohl oder übel genötigt, dem Nimmerſatte aufzulauern oder nachzuſtellen, um ihn unſhädlih zu machen. Dies gelingt ihnen in den feltenſten Fällen, da der ſchlaue Burſche die ernſte Abſicht ſeiner Verfolger bald herauswittert und ſi<h auf einige Zeit empfiehlt.

„Sofern ex unbehelligt bleibt, greift der Gorilla den Menſchen niht an, meidet vielmehr deſſen Begegnung. Wird er jedo< überraſcht, ſo richtet er ſi< auf, ſtößt aus tiefer Bruſt ein nicht wiederzugebendes, kurz abgebrochenes, bald rollendes, bald grunzendes Gebrüll aus und bearbeitet mit ſeinen Rieſenfäuſten die gigantiſche Bruſt, wobei unter Zähnefletſhen und einem unendli<h boshaften Ausdruce des Geſichtes ſich ſeine Haare auf Kopf und Na>en vibrierend ſträuben. Ein wütender alter Gorilla bietet einen Furcht erwe>enden Anbli>. Reizt man ihn nicht und zieht ſich bei guter Zeit allmählich zurü>, noc bevor ſeine Wut ihren Höhepunkt erreicht, ſo glaube ih nicht, daß er zum Angriffe ſchreiten würde. Sollte man aber das Unglü> haben, ihn nur leiht zu verwunden, dann freilih bin ich, ohne es ſelbſt erlebt zu haben, feſt überzeugt, daß er den Schüßen annimmt, und wehe dieſem, wenn ihm niht ſofort eine zweite Kugel zu Gebote ſteht! Ein Fliehen ift ihm gegenüber unmöglih, eine Verteidigung mit anderen als Schußwaffen ein Unding.

„Soviel ih zu beobachten Gelegenheit fand, lebt der Gorilla von Vegetabilien. Die Jungen zeigen aber in der Gefangenſchaft eine ganz beſondere Vorliebe für animalifche Koſt; es läßt ſi< daraus ſchließen, daß ſie au<h in der Wildnis Fleiſh ſowie Eier nicht verſ<mähen. Dex Gorilla iſt mit dem Schimpanſen, ſofern man ihn nur einmal geſehen, nicht