Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

68 Erſte Drdnung: Affen; erſte Familie: Shmalnaſen (Menſchenaffen).

würde, ließ ih es niht ankommen. Als ih die Doppelbüchſe hob, wurde das rollende Gebrüll bellender; das Trommeln auf der Bruſt wurde ſchneller; die ſtruppigen Kopfhaare ſträubten ſih zitternd, und es ſchien, als wollte mein ſchre>li<hes Gegenüber zum Angriffe übergehen. Hätte ih mich bei guter Zeit vorſichtig zurü>gezogen, würde der Gorilla, davon bin ih überzeugt, mih niht angenommen haben. Es lag dies indes gar nit in meiner Abſicht. Meiner Aufregung Herr geworden, zielte ih ruhig und ſicher nah dem Herzen. Nach abgegebenem Schuſſe ſchnellte das Tier in die Höhe und fiel, die Arme ausbreitend und ſih drehend, auf das Geſicht. Hierbei hatte es eine 5 cm ſtarke Liane erfaßt, und ſo mächtig war ſeine Kraft, daß es mit dieſer dürre und grüne Äſte zur Erde riß. Sein Gewicht ſhäßte ih auf 200 kg; ſeine Körperlänge betrug 1,9 m.“

H. von Koppenfels* ſ{<li<hte Schilderungen und Angaben über das Weſen der Gorillas, die ganz und gar auf eigener Anſchauung beruhen, vermitteln uns eine rihtigere Vorſtellung von dieſem ſeltenen Waldbewohner und entkleiden ihn eines großen Teiles der ihm angedihteten Schre>lichkeit. Man kann N. Burton, dem ſo nüchternen Beurteiler afrikaniſcher Dinge, nur beiſtimmen, wenn ex, alles zuſammenfaſſend, was ex vordem ſelbſt an Ort und Stelle erkundet hat, ſagt: „Es iſt ein armer Teufel von Afffen, niht ein hölliſhes Traumgebilde, halb Menſch, halb Beſtie“. '

Der Verſuch, junge Gorillas, die bisweilen von den Eingeborenen zur Küſte gebracht werden, lebend nah Europa überzuführen, war regelmäßig mißglüct. Die Tiere ſtarben ſchon unterwegs. Nur einmal ſoll in den ſechziger Fahren ein junger Gorilla nah England gelangt und kurze Zeit von einem Tierbändiger gehalten worden ſein, der ihn niht einmal erkannte, niht wußte, welhen Schaß er beſaß. Erſt den Mitgliedern der deutſchen LoangoExpedition gelang das Unternehmen erfolgreih. Falkenſtein, Arzt und Zoolog der Expedition, erhielt dur< einen glü>lihen Zufall einen jungen Gorilla, der aber au< ſ{<hon dem Schickſale der übrigen verfallen ſchien, und vornehmlich ſeiner unermüdlichen Sorgfalt für das Tier iſt es zu danken, daß dieſes zunächſt längere Zeit in Afrika und danach im Aguarium zu Berlin beobachtet und angeſtaunt werden konnte.

„Als ih“, erzählt Falkenſtein, „am 2. Dftober 1875 Pontanegra erreichte und in das Magazin des Portugieſen Laurentino Antonio dos Santos trat, fand ih einen jungen Gorilla, den wir leider vorher vergebli<h im Walde zu erhalten geſucht hatten, an die Brückenwage gefeſſelt vor. Vor wenigen Tagen hatte ihn ein Neger, der die Mutter geſchoſſen hatte, aus dem Jnneren gebracht, und man ſuchte ihn nun, ſo gut es ging, ſo lange zu ernähren, bis der nächſte vorbei paſſierende Dampfer ihn für einen mögli<hſt hohen Preis mit nah Europa nehmen konnte. Es war ein junges Männchen, das elend genug aus\ah, weil es bisher von den vorgeſeßten Waldfrüchten wenig genoſſen hatte, und es wäre zweifellos zu Grunde gegangen wie jeine Vorgänger bei ähnlichen früheren Verſuchen, wenn man es in dieſem Zuſtande an Bord eines Schiffes gebracht hätte. Schon jeßt glaubte ih niht, daß es mögli<h ſein würde, das Tier am Leben zu erhalten, hoffte jedoch, es bis Tſchintſchotſcho zu bringen, um wenigſtens die erſte Photographie eines lebenden Gorillas aufnehmen zu können, und bot daher jeden erſ<wingbaren Preis, wenn er mir überlaſſen würde. Herr Laurentino lehnte dies jedo< ab mit dem Bemerken, daß er ſih freue, mir im Namen aller ſeiner Landsleute, die ih ſtets ſo uneigennüßig behandelt und gepflegt hätte, eine Anerkennung zu teil werden zu laſſen; er bäte mich herzlih, den Affen als Geſchenk von ihm anzunehmen. Da ich den Wert desſelben tannte, im Falle es gelingen ſollte, ihn lebend na< Europa zu führen, ſträubte ih mi<h anfänglih, von der Liebenswürdigkeit Gebrauch zu machen, ließ jedo<h bald dem wahrhaft herzlichen Anerbieten gegenüber und in der Erwägung, daß in anderen Händen der Wert doch ein ſehr fraglicher war, jedes Bedenken ſchwinden und verabſchiedete mih mit ihm unter lebhaftem Danke, den ih hier, na<hdem