Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Alfred ECdmund Brehm. NTI

Kronprinz bemühte ſich, die beiden von ihm verehrten Vogelkundigen beſtändig mit friſchem Forſchungsmaterial zu verſorgen. Fm Jahre 1879 hatten Brehm und Homeyer beiſpiel8weiſe auf Veranlaſſung des Kronprinzen nicht weniger als 80 Adler unterſucht, um zu erforſchen, ob zwiſchen dem Steinadler und dem Goldadler eine Artverſchiedenheit feſtzuſtellen ſei. Oft erhielt Brehm ausführliche, bis zu 20 Seiten (!) lange Handſchreiben des Kronprinzen mit Fagdberichten und ornithologiſhen Beobachtungen, und der perſönliche Verkehr war ein ſo ungezwungener, daß Brehm, wenn er wochenlang als Gaſt bei ſeinem hohen Gönner auf dem Hradſchin in Prag weilte, in ſeiner „hiſtoriſchen“ Fagdjoppe einherging. Das in dieſer Ungezwungenheit des Verkehrs gewiß ſeltene Verhältnis zwiſchen dem Thronerben und dem Naturforſcher beſtand trob mancherlei Anfeindungen bis zum Tode des leßteren fort.

Die erwähnten Forſchungsreiſen in Öſterreih-Ungarn und Spanien, die er als Begleiter des Kronprinzen Rudolf angetreten hatte, waren reih an Ehren und Auszeichnungen geworden. Jm Fahre 1878 hatte ihm Kaiſer Franz Joſeph den Drden der Eiſernen Krone verliehen, mit welhem damals noch die Erhebung in den perſönlichen Adelsund Ritterſtand verbunden war. Nun durfte er wenigſtens keine Beleidigung mehr darin finden, wenn ihn die Öſterreicher nah landesübliher Gepflogenheit als Herrn von Brehm begrüßten. n Außer-Öſterreih hat er, ſoviel mix bekannt, keinen Gebrauch davon gemat. Das folgende Jahr brachte ihm das Komturkreuz des ſpaniſchen Ordens Tsabella la Catholica und das Komturfreuz des St. Jago-Ordens von Portugal. Allen dieſen ausländiſhen Auszeihnungen voran war die Verleihung der großen Medaille für Kunſt und Wiſſenſchaft gegangen, mit welcher der Herzog von Meiningen dem Forſcher ſeine Hochachtung bezeigte, und ebenſo die Ernennungen zur Mitgliedſchaft zahlreicher gelehrten Geſellſchaften. Aber dieſe Jahre, die ſo reich an Auszeichnungen waren, ſ<hlugen ſeinem Herzen auh tiefe Wunden dur die herbſten Verluſte, die er jemals zu überwinden hatte. Schon bald nach ſeiner Rückehr aus Sibirien mußte er (1877) ſeine alte Mutter begraben, und im folgenden Jahre verlor er bei der Geburt ſeines jüngſten Söhnchens die unerſeßliche Gattin, ſie, die ihm im ſchönſten Sinne des Wortes die beſte Stüße, Gehilfin und Mitarbeiterin bei ſeinem Tagewerke geweſen war. Es war ein Schlag, von dem er ſih nie völlig wieder erholt hat, denn die Sonne ſeines Lebens war untergegangen! — Anderſeits wu<hs der Kreis ſeiner Verehrer und der Beifall ſeiner Vorleſungen von Jahr zu Fahr, und ſeine äußeren Lebensverhältniſſe geſtalteten ſih ſo günſtig, daß er alljährlih im Sommer 3—4 Monate einzig der Erholung auf ſeiner Beſibung in Renthendorf widmen konnte, woſelbſt der nur als Tierfreund bekannte Naturforſcher eifrig — Roſen züchtete und es zu einer bedeutenden Sammlung der ſchönſten und ſeltenſten Arten brachte. Jm Winter ging es dann wieder mit neuen Kräften auf die Reiſe, um womöglihh ein Vermögen zu erwerben, welches die Zukunft der Töchter und Söhne nah menſ<hlihem Berechnen ſichern ſollte.

Ohne Zweifel — denn für ſich ſelbſt brauchte er nicht viel — war es auch dieſe liebevolle Fürſorge für die Seinigen, die ihn 1883 dazu veranlaßte, ein ihm angetragenes Abkommen für eine größere Vortragsreiſe in Nordamerika zu unterzeichnen, die wahrſcheinlich infolge

Brehm, Tierleben. 3. Auflage. I. TIE