Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

XTTLT Alfred Edmund Brehm.

der damit verbundenen Anſtrengungen und Aufregungen viel dazu beigetragen hat, ſeinem arbeitsreihen Leben ein verfrühtes Ziel zu ſeßen. Kurz vor Antritt der Reiſe, die von Ende 1883 bis April 1884 währte, erkrankten ſeine fünf Kinder ſämtli an Diphtheritis, und er hätte ſeine Reiſe unter dieſen Umſtänden natürlich unterlaſſen; wenn ihn ſein Kontrakt niht zu ſhwerem Reugelde verpflichtet hätte, wozu noh kam, daß der behandelnde Arzt die beruhigendſten Zuſicherungen über den Zuſtand der Kinder geben zu können glaubte. Jn der That kamen vier von ihnen glü>li<h davon, aber den jüngſten Sohn, das lezte Vermächtnis der geliebten Frau, ſeinen und der ganzen Familie Liebling, raffte die tückiſche Krankheit dahin, bevor Brehm noch den Fuß auf das amerikaniſche Feſtland geſebt hatte.

„So ſchonend und allmähli<h“, ſchreibt mir ſein Sohn, von dem wir vielleicht ſpäter eine ausführlichere Lebensſchilderung zu erwarten haben, „ihm auch dieſe Nachricht beigebracht wurde, ſo tief erſchütterte ſie ihn doh. Man kann ſagen, daß er ſeitdem völlig innerli gebrochen war. Mechaniſch erledigte er ſeine ſchwere Arbeit von 50 Vorträgen, dann im Miſſiſſippithal warf ihn eine Malaria, der die ſeeliſche Erſhütterung nur allzu wirkſam

vorgearbeitet hatte, aufs Krankenlager und er erholte ſi< nur langſam. Ein an Körper und Geiſt gebeugter Greis kehrte er heim. Wir erſhraken über ſein graues Haar, über das trübe Auge, als wir ihn wiederſahen . 4

Er brachte nah der Rü>kehr zunächſt einige Wochen zu ſeiner Erholung in Friedrihstanne> bei Eiſenberg zu und trat dann die lebte ſeiner vielen Reiſen na< Unterrenthendorf an. Es bildete ſih eine ſchwere Nierenerkrankung (Morbus brightii) bei ihm aus, die ſeine Kräfte ſehr {hnell aufzehrte, wobei ihn das Nachlaſſen der früher unermüdbaren Arbeitskraft am meiſten beunruhigte. Den Sommer über hielt ſi ſein ſtarker Körper auf: re<ht, aber zum Herbſte ging es dann langſam mit ihm zu Ende. Der no< niht 5s6jährige Mann, der ſi< no< mit ſo reichen Plänen getragen und noc ſo viel für ſeine Forſhung®gebiete hätte leiſten können, erlag am 11. November 1884 nachmittags gegen 5 Uhr ſeiner Krankheit. Ein Schlaganfall erlöſte ihn unvermutet von ſeinen Leiden. Die damals dur< die Zeitungen gegangenen Nachrichten, daß er kurz vor ſeinem Tode erblindet ſei, waren übrigens unrichtig. Allerdings hatte er an geringen Sehſtörungen, wie ſie bei dieſer KranÈ heit häufig vorkommen, zu leiden gehabt, aber von Blindheit war feine Rede.

Jn den Jahren ſeiner Kraft war Brehm ein ſ{höner, ſ<hlanker Mann mit höchſt ausdruésvollem Geſicht, dem die hohe Stirn, die fräftige Adlernaſe, die freundlihen graublauen Augen, der dunkle Vollbart und das meiſt langgetragene dunkle Haupthaar etwas Apoſtelmäßiges gaben. Und ſo als ein begeiſterter Verkünder der Naturgröße, als ein Verähter und Bekämpfer der Bemühungen, die Menſchheit der Naturkenntnis zu entfremden faßte er ſeine Miſſion zu allen Zeiten mit einem heiligen Eifer auf, der ihm man<mal ſcharfe Worte in die Feder gab. Sein Weſen war aller Halbheit abhold, er konnte Weder den Höfling abgeben, noh unter \{<meihleriſ<hen Worten ſeine wahre Geſinnung verbergen und mußte ſi naturgemäß dadurch viele Feinde, niht nux im flerifalen Lager, fondern auch unter Fachgenoſſen, machen. Mit dieſer Geiſtesanlage iſt ein ſtarïes Selbſtgefühl untrennbar verbunden, und es iſ wohl möglich, daß er dabei manhmal aus den reinſten Abſichten anderen zu viel gethan hat.