Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

410 Vierte Ordnung: Raubtiere; erſte Familie: Katen.

Ein ſtarkes Männchen, das ex in Maiſur ſchoß, war den Eingeborenen ſeit 20 Fahren wohlbekannt, zeigte aber no< kein Merkmal hohen Alters: es ſchien in der Vollkraft des Lebens zu ſtehen, feine Zähne waren gut, bloß ſein Fell fing an auszubleichen.

Die Paarungszeit des Tigers iſt verſchieden nah dem Klima der betreffenden Heimatländer, ſoll jedo<h in den nördlichen Gebieten regelmäßig etwa ein Vierteljahr vor Beginn des Frühlings eintreten. Jn den ſüdlichen Gebieten, namentli<h nah den in Fndien angeſtellten Beobachtungen, iſt ſie an keine Jahreszeit gebunden; neue Würfe finden in allen Monaten ſtatt. Dagegen führen die beſten Gewährsmänner an, daß eine Tigerin nur alle 2—s Fahre einmal Junge haben könne, weil man mit der Mutter nur ſehr kleine bis zu ſehr ſtraffen oder ausgewachſenen bemerke, niemals aber eine Miſchung von beiden, wie es ſein müßte, wenn alljährlih ein neuer Wurf erfolgte. Während der Paarungszeit hört man mehr als ſonſt die Stimme des Raubtieres. Nicht allzu ſelten finden ſi<h mehrere männliche Tiger bei einer Tigerin ein, obgleih behauptet wird, daß im ganzen die Tigerinnen häufiger ſeien als die Tiger. Man ſchreibt dies den Kämpfen zu, welche die männlichen Tiger untereinander führen ſollen, während die wahre Urſache wohl darin zu ſuchen ſein dürfte, daß weibliche Naubtiere überhaupt vorſichtiger ſind als männliche. Etwa 100—105 Tage nah der Begattung wirft die Tigerin 2—3, manchmal 4, ja es wird geſagt in ſeltenen Fällen ſogar 5 und 6 Junge an einem unzugänglichen Orte zwiſchen dichter Vegetation. Die Tierchen ſind, wenn ſie zur Welt kommen, halb ſo groß wie eine Hauskaße und na< Art aller jungen Katen reizende Geſchöpfe. Jn den erſten Wochen verläßt die Mutter ihre geliebten Kleinen nux, wenn ſie den nagendſten Hunger fühlt; ſobald jene aber etwas größer geworden ſind und auh nach feſter Nahrung verlangen, ſtreift ſie weit umher.

Vom indiſchen Tiger berichtet Sanderſon: „Die Eingeborenen behaupten, daß die Mutter ihre Kleinen zunächſt mit halbverdauten Fleiſchſtü>en füttert, welche ſie vor ihnen ausbriht, nachdem ſie von einem Raubzuge heimgekehrt iſt. Nach 6 Wochen beginnen die Jungen mit der Alten von Verſte> zu Verſte> zu ziehen, werden indeſſen no< niht mit auf Jagd genommen, dagegen zum Schmauſe geführt, wenn ein Tier nicht allzufern erbeutet worden iſt. Selbſt ſo frühzeitig ſind ſie ſhon ſehr gewißt und wiſſen ſih zu behelfen, wenn man ſie in Abweſenheit der Alten überraſcht. Ein Pärchen, unfern meiner Station Morlay (Maiſur) im November 1875 geboren, begann im Juni des folgenden Jahres zum erſten Male allein zu jagen; doch bliebèn ſie immer noch bei der Mutter. Es war in dieſem Alter noh recht ſchwierig für ſie, ſelbſt alters\{<wache Rinder allein zu töten, und ſie zerflauten ſie jämmerlih bei dem Verſuche. Au<h machten ſie ſi<h noh niht an freilaufendes Vieh, ſondern nur an ſolches, das wir für ſie angebunden hatten. Fn einem Falle zeigten | niht mißzuverſtehende Merkmale, daß die Mutter dabeiſißend zugeſehen hatte, wie eins ihrer Kinder einen gefeſſelten Dchſen abwürgte. Jh ſchoß beide Junge auf dem Anſtande neben getöteten Tieren, als ſie zum Freſſen zurü>tehrten. Eins, das Weibchen, am 29. Fuli 1876: es maß 190,5 cm und wog 53,5 kg; das andere, ein Männchen, am folgenden 25. November: es maß knapp 211 cm; leider hatte ih feine Gelegenheit, es zu wiegen.“

Einmal ſ{hoß unſer Gewährsmann eine Tigerin, deren davonlaufendes Junges ſi< ſo gut in einem Di>kichte verſte>te, daß es niht zu finden war. Er ließ eiligſt leichte Nebe, wie ſie bei der Haſenjagd verwendet werden, herbeiſchaffen und damit das Verſte> umſtellen. Sobald ex mit ſeinen Leuten vorging, ſprang ihnen das kleine Ungetüm fauchend und grollend entgegen und {lug wütend mit den Taßen, ließ auh niht na<h mit ſeinen Angriffen obwohl die mit Stöcken bewaffneten Leute es niht gerade ſanft behandelten. Endlich wurde es überwältigt und gebunden. Es wog etwas über 18 kg und mochte 10 Wochen alt ſein; da es in dieſem Alter niht mehr zu zähmen war, wurde es nach einigen Monaten für 1000 Mark verkauft. Ein Pärchen 8 Monate alter zahmer Tiger wurde mit 2000 Mark