Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

422 Vierte Ordnung: Raubtiere; erſte Familie: Katzen.

Biſſe jedes zu ihnen in den Käfig geſhobene Tier, von der Ratte angefangen bis zum Kaninchen, jeden Vogel, von der Größe eines Sperlings bis zu der eines Huhnes, ohne das Opfer weiter zu berühren. Bei liebevoller Behandlung legte ſi< jedo< allmählich dieſe Kampfluſt; ſie wurden mit jedem Tage ruhiger und zutraulicher und nahmen nah Verlauf einer Woche das mittels eines Stokes dargereihte Futter und verzehrten es brumménd.“ Eine alte, mit ihren Jungen gefangene Wildkaße nahm ein ihr von Zelebor untergeſ<obenes Käßchen freundlih auf, liebkoſete es und ließ es mit ihren zwei größeren Jungen ſaugen. Dieſe Waiſenmutter wurde na< Verlauf einiger Wochen ſo zahm, daß ſie unter gemütlichem Shnurren zum Spielen mit Zelebors Hunde ſich herbeiließ. Hinſichtlich ihrer Nahrung zeigen ſih alte wie junge Wildkaßen äußerſt wähleriſ<h. Mäuſe und kleine Vögel bevorzugen ſie allem übrigen, Milch le>en ſie ebenſo gern wie Hauskaßen, Pferdefleiſch verſhmähen ſie hartnäig; ſelbſt bei aus\<hließliher Fütterung mit gutem Nindfleiſche gehen ſie bald zu Grunde. Die Schwierigkeit ihrer Pflege erklärt es, daß man ihr nur ſehr ſelten in einem Tiergarten begegnet und eher zehn Leoparden oder Löwen als eine Wildkage erwerben kann.

Die Zagd der Wildkaße wird überall mit einer gewiſſen Leidenſchaft betrieben: handelt es ſih doh darum, ein dem Weidmanne ungemein verhaßtes und dem Wilde ſchädliches Raubtier zu erbeuten. Bei uns zu Lande erlegt man ſie gewöhnlih auf Treibjagden. „Sie läßt ſich“, bemerkt von Meyerin> noch, „ſehr gut treiben und iſt ſchneller bei den Schüßen als der Fuchs. Jh ſelber ſchoß eine ſehr ſtarke Wildkaße im Harze beim Treiben auf Wildbret, und da es ſcharf gefroren hatte, hörte ih ſie, gleih nahdem die Treiber vorwärts gegangen waren, im gefallenen Laube ſhon von fernher kommen, genau in derſelben Weiſe wie ein Fuchs, welcher ruhig trabt und hin und wieder ſtehen bleibt, um nach dem Treiber zu horchen, ſih nähert.“ Fm Winter, nach einer Neue, wird ſie abgeſpürt, bis zum Baue oder einem Baume verfolgt, mit Hilfe des Hundes ausgetrieben oder feſtgemacht und dann erlegt; außerdem kann man ihrer habhaft werden, indem man ſie dur<h Nachahmen des Geſchreies einer Maus oder des Piepens eines Vogels reizt. Der Fang iſt wenig ergiebig, obgleih die Wildkaße durch eine Witterung aus Mäuſeholzſchale, Fenchel- und Kagzenkraut, Violenwurzel, welche in Fett oder Butter abgedämpft werden, ſih ebenfalls bethören und ans Eiſen bringen laſſen ſoll. Fn Ungarn ſtöbert man ſie mit Hunden auf und treibt ſie zum Baue oder in einen hohlen Baum, wel<hen man dann einfach zu fällen pflegt, um ſie zu erbeuten. e

„Am ſchwierigſten“, ſagt Zelebor, „iſt es, eine wilde Kage lebend aus einem hohlen Baume herauszubringen. Zwei, drei der ſtärkſten und mutigſten Männer haben, ungeachtet ihre Hände in derben Handſchuhen ſte>en und no< mit Lappen umwielt ſind nah Leibeskräften zu thun, die Katze herauszuziehen und in einen Sa zu ſten.“ J< geſtehe, daß mir dieſe Fangart nicht ret glaublih erſcheinen will, da alle älteren Berichterſtatter darin einig ſind, daß mit einer erwachſenen Wildkage nicht zu ſpaßen iſt. Win>ell rät dem Jäger an, vorſichtig mit ihr zu Werke zu gehen, einen zweiten Schuß niht zu ſparen, falls der erſte nicht ſofort tödlih war, und ihr nur dann ſi zu nähern, wenn ſie niht mehr fort kann, ihr aber auch jeßt noh mit einigen tü<htigen Hieben über die Naſe den Garaus zu machen, bevor man ſi< weiter mit ihr befaßt. Verwundete Wildkaßen können, wenn man ſie in die Enge treibt, ret gefährlih werden. „Nimm dich wohl in aht, Shüße“, ſo ſchildert Tſchudi, „und ſaß die Beſtie genau aufs Korn! Fſt ſie bloß angeſchoſſen, ſo fährt ſie ſhnaubend und ſ{häumend auf, mit hochgekrümmtem Rücken und gehobenem Schwanze naht ſie ziſhend dem Jäger, ſeßt ſih wütend zur Wehr und ſpringt auf den Menſchen los; ihre ſpiven Krallen haut ſie feſt in das Fleiſch, beſonders in die Bruſt, daß man ſie faſt nicht losreißen fann, und ſol<he Wunden heilen ſehr ſhwer. Die Hunde fürchtet ſie ſo wenig,