Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

436 Vierte Ordnung: Raubtiere; erſte Familie: Katen.

allgema<h ihr Benehmen gegen ſie. Sobald die Äuglein der Kleinen ſih geöffnet haben, beginnt der Unterricht. Noch ſtarren dieſe Auglein blöde ins Weite; bald aber richten ſie ſh entſchieden auf einen Gegenſtand: die ernährende Mutter. Sie beginnt jetzt, mit ihren Sprößlingen zu reden. Jhre ſonſt niht eben angenehm ins Dhr fallende Stimme gewinnt einen Wohlklang, welchen man ihr nie zugetraut hätte; das „Miau“ verwandelt ſich in ein „Mie“, in welchem alle Zärtlihkeit/ alle Hingebung, alle Liebe einer Mutter liegt; aus dem ſonſt Zufriedenheit und Wohlbehagen oder au< Bitte ausdrü>kenden „Murr“ wird ein Laut, ſo ſanft, ſo ſprechend, daß man ihn verſtehen muß als den Ausdru> der innigſten Herzensliebe zu der Kinderſchar. Bald auch lernt dieſe begreifen, was der ſanfte Anruf ſagen will : ſie lauſcht, ſie achtet auf denſelben und kommt ſ{<werfällig, mehr humpelnd als gehend, herbeigekrochen, wenn die Mutter ihn vernehmen läßt. Die ungefügen Glieder werden gelenker, Muskeln, Sehnen ud Knochen fügen ſi< allgemah dem erwachenden und raſch erſtarkenden Willen: ein dritter Abſchnitt des Kinderlebens, die Spielzeit, beginnt.

Dieſe Spielſeligkeit der Kaße macht ſi< ſchon in früheſter Jugend bemerklih, und die Alte thut ihrerſeits alles, ſie zu unterſtüßen. Sie wird zum Kinde mit den Kindern, aus Liebe zu ihnen, genau ebenſo, wie die Menſchenmutter ſi herbeiläßt, mit ihren Sprößlingen zu tändeln. Mit ſcheinbarem Ernſte ſißt ſie mitten unter den Käßchen, bewegt aber bedeutſam den Schwanz, in welchem {hon Gesner den Zeiger der Seelenſtimmung erkannte: „anderſt ſeyn ſie geſinnet, wann ſie den Shhwanß hen>en, anderſt wann ſie jhn grad in die Höhe ſtre>en oder krümmen“. Die Kleinen verſtehen zwar dieſe Sprache ohne Worte noh niht, werden aber gereizt durch die Bewegung. Jhre Äuglein gewinnen Ausdru>, ihre Ohren ſtre>en ſich. Plump-täppiſh häkelt das eine und andere nach der ſi< bewegenden Schwanzſpite; dieſes kommt von vorn, jenes von hinten herbei, eines verſucht über den Rücken wegzuklettern und ſ<lägt einen Purzelbaum, ein anderes hat eine Bewegung der Ohren der Mutter erſpäht und macht ſi< damit zu ſchaffen, ein fünftes liegt no< una<htſam am Geſäuge. Die gefällige Alte läßt, mit mancher Menſchenmutter zu empfehlenden Seelenruhe, alles über ſich ergehen. Kein Laut des Unwillens, höchſtens gemütliches Spinnen macht ſih hörbar. Solange no< eines der Jungen ſaugt, wird es verſtändnisvoll bevorzugt; ſobald aber auch dieſes ſih genügt hat, ſucht ſie ſelbſt den kindiſhen Poſſen, zu denen bisher nur die ſich bewegende Shwanzſpiße aufforderte, nah Kräften zu unterſtüßen. Fhre wundervolle Beweglichkeit und Gewandtheit zu gunſten der täppiſchen Kleinen beſ<hränkend, ordnet und regelt nun ſie das bis jegt ziellos geweſene Spiel. Bald liegt ſie auf dem Rücken und ſpielt mit Vordex- und Hinterfüßen, die Jungen wie Fangbälle umherwerfend; bald ſigt ſie mitten unter der ſi balgenden Geſellſchaft, rollt mit einem Tabenſchlage das eine Junge um, häkelt das andere zu ſih heran und lehrt dur< unfehlbare Griffe der tros aller Unruhe achtſamen Kinderſchar ſachgemäßen Gebrauch der krallenbewehrten Pranken; bald wieder erhebt ſie ſi, rennt eiligen Laufes eine Stre>e weit weg und lo>t dadur< das Völkchen nah ſi, offenbar in der Abſicht, ihm Gelenkigkeit und Behendigkeit beizubringen. Nach wenigen Lehrſtunden haben die Käßchen überraſchende Fortſchritte gemacht. Von ihren geſpreizten Stellungen, ihrem wankenden Gange, ihren täppiſhen Bewegungen iſt wenig mehr zu bemerfen. Jm Häkeln mit den Pfötchen, im Fangen ſih bewegender Gegenſtände bekunden ſie bereits merflihes Geſchi>. Nur das Klettern verurſacht noh Mühe, wird jedoch in fortgeſeßtem Spiele binnen kurzem ebenfalls erlernt. Nunmehr ſcheint der Alten die Zeit gekommen zu ſein, auch das in den Kinderchen noh ſ{<lummernde Raubtier zu wc>en. Anſtatt des Spielzeuges, zu welchem jeder leicht bewegliche Gegenſtand dienen muß, anſtatt der Steinen, Kugeln, Wollflefen, Papierfeßen und dergleichen, bringt ſie eine von ihr gefangene, no< lebende und möglichſt wenig verleßte Maus oder ein erbeutetes, mit derſelben Vorſicht behandeltes Vögelchen, nötigen Falls eine Heuſchre>e, in das Kinderzimmer. Allgemeines Erſtaunen