Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Hauskage: Jugendſpiele, Kindererziehung. Anhänglichkeit, Klugheit. 437

der kleinen Geſellſchaft, doh nur einen Augenbli>. Bald regt ſich die Spielſucht mächtig, furz darauf auch die Raubluſt. Solcher Gegenſtand iſt denn doch zu verlo>end für das bereits wohlgeübte Raubzeug. Er bewegt ſich niht bloß, ſondern leiſtet auch Widerſtand. Hier muß derb zugegriffen und feſtgehalten werden: ſo viel ergibt ſih ſhon bei den erſten Verſuchen; denn die Maus entſchlüpfte Murnerchen, welcher fie doch ſicher gefaßt zu haben vermeinte, überraſchend ſhnell und konnte nur durch die ahtſame Mutter an ihrer Flucht gehindert werden. Der nächſte Fangverſuch fällt ſhon beſſer aus, bringt aber einen empfindlichen Biß ein: Miezchen ſchüttelt bedenklich das verleßte Pfötchen. Doch ſhon hat Hinzchen die Unbill geräht und den Nager ſo feſt gepa>t, daß kein Entrinnen mehr möglich: das Raubtier iſt fertig geworden.

Gewöhnlih nimmt man an, daß die Kaße nicht erziehungsfähig ſei, thut ihr damit aber großes Unrecht. Sie bekundet, wenn ſie gut und verſtändig behandelt worden iſt, innige Zuneigung zu dem Menſchen. Es gibt Katen, und ih kannte ſelbſt folhe, welche ſhon mehrere Male mit ihren Herrſchaften von einer Wohnung in die andere gezogen ſind, ohne daß es ihnen eingefallen wäre, nah dem alten Hauſe zurückzukehren. Sie urteilten eben, daß der Menſh in dieſem Falle ihnen mehr wert ſei als das Haus. Andere Katen kommen, ſobald ſie ihren Herrn von weitem ſehen, augenbli>lih zu demſelben heran, ſ<hmeiheln und liebkoſen ihm, ſpinnen vertraulih und ſuchen ihm auf alle Weiſe ihre Zuneigung an den Tag zu legen. Sie unterſcheiden dabei ſehr wohl zwiſchen ihnen bekannten und fremden Perſonen und laſſen ſich von erſteren, zumal von Kindern, unglaublich viel gefallen, freilich nicht ſo viel wie alle Hunde, aber doch ebenſoviel wie manche. Andere Kaßen begleiten ihre Herrſchaft in ſehr artiger Weiſe bei Spaziergängen dur Hof und Garten, Feld und Wald: ih ſelbſt kannte zwei Kater, welche ſogar den Gäſten ihrer Gebieterin in höchſt liebenSwürdiger Weiſe das Geleit gaben, 10—15 Minuten weit mitgingen, dann aber mit Schmeicheln und wohlwollendem Schnurren Abſchied nahmen und zurückkehrten. Kaßen befreunden ſich aber auh mit Tieren. Man kennt viele Beiſpiele von den innigſten Freundſchaften zwiſchen Hunden und Katen, welche dem lieben Sprichworte gänzlich widerſprechen. Von einer Kaße wird erzählt, daß ſie es ſehr gern gehabt habe, wenn ſie ihr Freund, der Hund, im Maule in der Stube hin- und hertrug; von anderen weiß man, daß ſie bei Beißereien unter Hunden ihren Freunden nach Kräften beiſtanden, und ebenſo auch, daß ſie von den Hunden bei Kagzenbalgereien geſhüßt wurden. Pechuel-Loeſche beſaß eine gewöhnlihhe Kaße, welche auf Befehl hingeworfene Gegenſtände, vom Sofakiſſen bis zur Ste>nadel, brachte, über Stühle, auf den Tiſch, auf die Schulter ſprang und ſich tot ſtellte. Mit einem alten Graupapagei lebte ſie in Freundſchaft, kam häufig herbei, wenn dieſer ſie bei ihrem Namen „Jchabod“ rief, nahm es nie übel, wenn ex ſie dur einen Biß in den Shwanz aus dem Sqlafe we>te, und zeigte immer wieder drollige Verwunderung, wenn er ihre Stimme täuſchend nachahmte. Beide ſaßen ſehr gern zuſammen im Fenſter und bli>ten auf die Straße hinaus.

Manche Kagzen liefern außerordentliche Beweiſe ihrer Klugheit. Solche von ehten Vogelliebhabern werden nict ſelten ſo weit gebracht, daß ſie den gefiederten Freunden ihres Herrn nicht das Geringſte zuleide thun. Giebel beobachtete, daß ſein ſhöner Kater, Peter gez nannt, eine Bachſtelze, welche genannter Naturforſcher im Zimmer hielt, wiederholt mit dem Maule aus dem Hofe zurü>kbrachte, wenn der Vogel ſeine Freiheit geſucht hatte, — natürli, ohne ihm irgendwie zu ſhaden. Ein ganz gleiches Beiſpiel iſt mir aus meinem Heimatdorfe bekannt geworden. Dort brachte die Kate eines Vogelfreundes zur größten Freude ihres Herrn dieſem ein ſeit mehreren Tagen ſ{hmerzlih vermißtes Rotkehlhen zurü>, welches ſie alſo niht nur erkannt, ſondern auch glei<h in- der Abſicht gefangen hatte, ihrem Gebieter dadurh eine Freude zu bereiten! Geſtüßt auf dieſe Thatſachen, glaube ih, daß auh folgende Geſchichte buchſtäblich wahr iſt: Eine Kage lebte mit dem Kanarienvogel ihres Herrn