Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Hauskaßge: Tierfreundſchaften. Treue. Nüßlichkeit. 439

„Vor ſehr kurzer Zeit“, ſo erzählt eine Kabenfreundin in Woods „Natural History“, „ſtarb eine der au8gezeihnetſten und vortrefflihſten Kaßen, welche jemals eine Maus fing oder auf der Herdmatte ſaß. Jhr Name war Pret, eine Abkürzung von Prettina (Hübſchhen), und ſie trug dieſen Namen mit vollſter Berehtigung; denn ſie war ebenſo ſhön von Farbe als ſeidonweih von Haar. Als ſie no< ſehr jung war, wurde ih am Nervenfieber krank. Sie vermißte mih augenbli>li<h, ſu<hte mih und ſebte ſih fo lange an die Thüre des Krankenzimmers, bis ſie Gelegenheit fand, durch dieſelbe zu ſ{lüpfen. Hier that ſie nun ihr Beſtes, um mich nach ihren Kräften zu unterhalten und zu erheitern. Da ſie jedoh fand, daß ich zu krank war, als daß ih mit ihr hätte ſpielen können, ſeßte ſie ſih an meine Seite und ſhwang ſich förmlih zu meiner Krankenwärterin auf. Wenig Menſchen dürften im ſtande geweſen ſein, es ihr in ihrer Wachſamkeit gleih zu thun oder eine zärtlichere Sorgfalt für mih an den Tag zu legen. Es war wirklih wunderbar, wie “ſchnell ſie die verſchiedenen Stunden kennen lernte, zu welchen ih Arznei oder Nahrung nehmen mußte, und während der Nacht we>te ſie meine Wärterin, welche zuweilen in den Schlaf fiel, regelmäßig zur beſtimmten Zeit dadurch auf, daß ſie dieſelbe ſanft in die Naſe biß. Auf alles, was mir geſchah, gab ſie genau aht, und ſobald ih mih na< ihr umſah, erſchien ſie augenbli>lih mit freundlihem Schnurren bei mix. Das allerwunderbarſte war unbedingt der Umſtand, daß ſie kaum um 5 Minuten in ihren Berechnungen ſich irrte, es mochte Tag oder Nacht ſein. Jn dem Zimmer, in welchem ich lag, war keine ſhlagende Uhr, und gleihwohl wußte ſie ganz genau, in welcher Zeit wir lebten.

„Das grollende Rollen des Donners erfüllte Pret mit Schre>, die gellenden, herzzerreißenden Töne von allerhand Drehorgeln haßte ſie von Herzen. Bei Gewittern eilte ſie zitternd in meinen Schoß, um ſich dort Hilfe zu erbitten, oder verſte>te ſi<h auh wohl unter den Kleidern. Auffallend gekleidete Perſonen waren ihr ein Greuel, und ſobald ſih jemand nahte, welcher häßlih gekleidet war, zeigte ſie dur ärgerlihes Brummen ihre Stimmung an. Gegen manche Tiere war ſie außerordentlich freundlih, und mit einem jungen Hunde, einem Kaninchen und einem Kampfhahne (Machetes pugnax) lebte ſie in der größten Freundſchaft. Mir aber blieb ſie doh unter allen Umſtänden am meiſten gewogen, und wenn ih zugegen war, fraß ſie bloß dann, wenn ſie dies in meiner unmittelbaren Nähe thun konnte.“

Aus all dem geht hervor, daß die Kaßen die Freundſchaft des Menſchen im vollſten Grade verdienen, ſowie daß es endlih einmal Zeit wäre, die ungerehten Meinungen und mißliebigen Urteile über ſie der Wahrheit gemäß zu verbeſſern und zu mildern. Zudem ſollte man auh dem Nußten der Katen mehr Rechnung tragen, als gewöhnlich zu geſchehen pflegt. Wer niemals in einem baufälligen Hauſe gewohnt hat, in welchem Ratten und Mäuſe nach Herzensluſt ihr Weſen treiben, weiß gar niht, was eine gute Kate beſagen will. Hat man aber jahrelang mit dieſem Ungeziefer zuſammengelebt und geſehen, wie der Menſch ihm gegenüber vollkommen ohnmächtig iſt, hat man Schaden über Schaden erlitten und ſi tagtäglih wiederholt über die abſcheulihen Nager geärgert, dann kommt man nach und nah zu der Anſicht, daß die Kate eines unſerer allerwichtigſten Haustiere iſt und deshalb nicht bloß größte Shonung und Pflege, ſondern auh Dankbarkeit und Liebe verdient. Schon das Vorhandenſein einer Kage genügt, um die übermütigen Nager zu verſtimmen und ſogar zum Auszuge zu nötigen. Das ihnen auf Schritt und Tritt nahſhleihende Raubtier, das furhtbare Geſchöpf, welches ſie am Halſe gepa>t hat, ehe ſie noh etwas von ſeiner Ankunft gemerkt haben, flößt ihnen Grauen und Entſeßen ein; ſie ziehen daher vor, ein derartig geſhüßtes Haus zu verlaſſen, und thun ſie es nicht, ſo wird die Kaze auh auf andere Weiſe mit ihnen fertig.

Mäuſe verſchiedener Art, namentli<h Haus- und Feldmäuſe, bilden das bevorzugte Fagdwild der Kaze. An Ratten wagt ſi nicht jede, aber doh die große Mehrzahl; Spizmäuſe