Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Löwe: Jugend. Alter. Zähmbarkeit. Schädlichkeit. 457

wie ein Hund, liebkoſte mich bei jeder Gelegenheit und wurde bloß dadur< läſtig, daß ſie zuweilen auf den Einfall kam, mi<h nachts auf meinem Lager zu beſuchen und dann dur ihre Liebkoſungen aufzuwe>en.

Nach wenigen Wochen hatte ſie ſih die Herrſchaft über alles Lebende auf dem Hofe angemaßt, jedoh mehr in der Abſicht, mit den Tieren zu ſpielen, als um ihnen Leid zu thun. Nur zweimal tötete und fraß ſie Tiere; einmal einen Affen, das andere Mal einen Widder, mit welchem ſie vorher geſpielt hatte. Die meiſten Tiere behandelte ſie mit dem größten Übermute und ne>te und ängſtigte ſie auf jede Weiſe. Ein einziges Tier verſtand es, ſie zu bändigen. Dies war ein Marabu, welcher, als beide Tiere ſih kennen lernten, ihr mit ſeinem gewaltigen Keilſchnabel zu Leibe ging und ſie dergeſtalt abprügelte, daß ſie ihm, wenn au< nah langem Kampfe, den Sieg zugeſtehen mußte. Oft machte ſie ſih das Vergnügen, nah Kaßenart auf den Boden ſih zu legen und einen von uns auf das Korn zu nehmen, über welchen ſie dann plößlih herfiel wie eine Kaße über die Maus, aber bloß in der Abſicht, um uns zu ne>en. Gegen uns benahm ſie ſi ſtets liebenswürdig und ehrlih. Falſchheit kannte ſie niht; ſelbſt als ſie einmal gezüchtigt worden war, kam ſie ſhon nah wenigen Minuten wieder und ſhmiegte ſih ebenſo vertraulih an mich an wie früher. JFhr Zorn verrauchte augenbli>li<h, und eine Liebkoſung konnte ſie ſogleih beſänftigen.

Auf der Reiſe von Chartum nach Kairo, welche wir auf dem Nil zurü>legten, wurde ſie, ſolange das Schiff in Fahrt war, in einen Käfig eingeſperrt, ſobald wir aber anlegten, jedesmal freigelaſſen. Dann ſprang ſie wie ein übermütiges Füllen lange Zeit umher und entleerte ſih ſtets zunächſt ihres Unrates; denn ihre Reinlichkeitsliebe war ſo groß, daß ſie niemals ihren Käfig während der Fahrt beſ<hmußte. Bei dieſen Ausflügen ließ ſie ſi<h mehrere Male dumme Streiche zu ſhulden kommen. So erwürgte ſie unter anderem in einem Dorfe ein Lamm und fing ſi in einem zweiten einen kleinen Negerknaben; doh vermochte ih zum Glü>e den Bedrängten zu befreien, da ſie gegen mich überhaupt nie widerſpenſtig ſi zeigte. Jn Kairo konnte ich, ſie an der Leine führend, mit ihr ſpazieren gehen, und auf der Überfahrt von Alexandrien nach Trieſt holte ich ſie tagtäglih auf das Verde herauf, zur allgemeinen Freude der Mitreiſenden. Sie kam nach Berlin, und ih ſah ſie 2 Jahre niht wieder. Nach dieſer Zeit beſuchte ih ſie und wurde augenbli>li<h von ihr erkannt. Jh habe nah allem dieſen keinen Grund, an den vielen ähnlichen anderen Berichten, welche wir ſhon über gefangene Löwen haben, zu zweifeln.

Bei guter Nahrung dauert, wie ſhon bemerkt, der Löwe viele Fahre in der Gefangenſchaft aus. Ex bedarf etwa 4 ks gutes Fleiſch tägli<h. Dabei befindet er ſi< wohl und wird beleibt und fett.

Es wird wohl niemand wundernehmen, daß der Afrikaner den Löwen mit allen Mitteln zu vertilgen ſucht, welche er in ſeiner Macht hat. So ſ<hlimm, als man es ſich bei uns vorſtellt, iſt jedo<h die Furht vor dem Löwen niht. Man begegnet dem Gewaltigen da, wo er ſtändig vorkommt, auch keineswegs alltäglih. Er bricht niht fortwährend in die Hürden ein, ſondern ſucht ſi< au< in der Wildnis ſeine Nahrung; ja er wird durch ſeine Jagden einzelnen Volksſtämmen ſogar nübßlih. Die Buſhmänner verdanken ihm oft ein ſaftiges Mahl. Wo er gejagt hat, durhſpüren ſie früh am Morgen die Umgegend, und hier fallen ihnen oft no< anſehnliche Reſte von dem Wilde zu, das der Löwe in der Naht geſhlagen hat. Sie ſtehen ſogar niht an, den Räuber von ſeiner Beute zu vertreiben, damit für ſie möglichſt viel übrigbleibe.

Aber auh Nordafrikaner klagen wenig über die Verluſte, welche ſie dur< den Löwen erleiden. Man ſprit wohl von ſeinen Raubthaten, aber kaum mit Entrüſtung über die Einbuße an Vieh, welhe man erlitten hat oder zu erleiden fürchtet, nimmt dieſe vielmehr als eine Schi>ung, als etwas Unvermeidliches hin. Anſiedler europäiſcher Abkunft haben