Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

458 Vierte Ordnung: Raubtiere; erſte Familie: Katen.

andere Begriffe von dem Werte’ des Eigentums als die harmloſen Afrikaner. Nach ver Bere<hnung Jules Gérards verurſachten im Fahre 1855 etwa 30 Löwen, welche ſich in der Provinz Conſtantine aufhielten, allein an Haustieren einen Schaden von 135/000 Mark unſeres Geldes: ein einziger Löwe verbrauchte demnach für 4500 Mark Vieh zu ſeiner Nahrung. Jm Jahre 1856 zu 1857 ſollen ſi<h na<h demſelben Berichterſtatter in Bona allein 60 Löwen aufgehalten und 10,000 Stück großes und kleines Vieh gefreſſen haben. Weiter im Jnnern iſt der Schade verhältni8mäßig weit geringer, weil die Viehzucht, welche den einzigen Erwerb der Bewohner bildet, in ganz anderer Ausdehnung betrieben wird als in den Ländern, in denen der A>erbau überwiegt. Gleichwohl iſt ex no< immer empfindlih genug, und der arme Herdenmann möchte man<hmal verzweifeln über die Verwüſtungen, welche der Löwe anrichtet.

Jm Atlas wird der Löwe auf verſchiedene Weiſe gejagt. Wenn er die Nähe des Lagers eines Beduinenſtammes aufſucht und allzu läſtig wird, umringen die waffenfähigen Männer das Gebüſch, in welchem ihr Hauptfeind ſi<h verborgen hat, und ſuchen ihn dur< Geſchrei und Schüſſe herauszutreiben. Erſcheint er endlich, ſo ſenden ſie ihm ſo viele Kugeln zu, daß er gewöhnlih erliegt, man<hmal freilih niht eher, als bis er einige ſeiner Verfolger übel zugerichtet oder getötet hat. Auch auf dem Anſtande erlegt man den Löwen. Die Araber graben eine Grube, de>en ſie von oben feſt zu, ſo daß nur die Schießlöcher offen ſind, und werfen ein friſch getötetes Wildſchwein davor; oder ſie ſeßen ſi<h auf Bäume und ſchießen von dort herab. Außerdem fangen die Araber des Atlas den Löwen in Fallgruben, welche 10 m tief und 5 m breit ſind. Sobald das königliche Tier in der Grube liegt läuft von weither alles zuſammen, und es entſteht ein entſeßliher Lärm ringsum. Jeder ſchreit, ſhimpft und wirſt Steine hinunter. Am tollſten treiben es aber die Weiber und Kinder. Zuleßt ſchießen die Männer das Tier zuſammen. Erſt wenn es vollkommen regungslos daliegt, wagt man ſi< hinab und bindet ihm Stricke um die Füße, an welchen man die Leiche mühſelig heraufwindet; denn der ausgewachſene männliche Löwe kann bis 200 kg {wer werden. Feder Knabe bekommt ein Stü>k vom Herzen zu eſſen, damit er mutig werde. Die Haare der Mähne benußt man zu Amuletten, weil man glaubt, daß derjenige, welcher dergleichen Haare bei ſi<h trage, vom Zahne des Löwen verſchont bleibe.

Zur Vervollſtändigung vorſtehender Mitteilungen will ih meinen alten Reiſegefährten und Freund, Leo Buvry, noch einiges erzählen laſſen: „Es kommt nur noch ſelten vor, daß die Eingeborenen Algeriens frei und offen dem Löwen den Krieg erklären und ihn in ſeinem Verſte>e aufſtören, bis ex den Kampf annimmt. Das heutige Geſchle<ht der Araber, obwohl es ihm durchaus niht an Mut fehlt, zieht es vox, ihn auf minder gefahrvolle Weiſe zu bekämpfen. Man ſpürt ſeine Fährte auf und gräbt zur Seite derſelben ein etwa 2 m tiefes Loch, welches nah oben zu ſi<h verengert und den Getreidegruben ähnli< iſt. Jn dieſes Loch verſte>t ſi der Araber und überde>t die Öffnung mit Zweigen. Dort lauert er viele Nächte, bis der Löwe auf einem ſeiner Streifzüge wieder einmal dieſen Weg aufnimmt. Ft das Raubtier nahe genug am Verſte>e, ſo zielt der Jäger nah dem Kopfe oder dem Herzen. Bei der herrſchenden Finſternis iſt der Schuß immer unſicher; denn verwundet der Jäger den Löwen bloß, ſo faßt dieſer alles Umſtehende „mit ſeinen grimmigen Tatzen“. Gewöhnlih entfernt ex ſih nict ſo bald von dem Orte, an dem er verwundet wurde, ſondern ſucht nah dem verborgenen Feinde und erhält ſodann die zweite nun tödliche Kugel. Feßt kriecht der Araber aus ſeinem Verſte>e hervor, zündet ein großes Feuer an, wid>elt ſi in ſeinen Buxnus und bringt auf dieſe Weiſe den Reſt der Nacht zu.“ Nächſten Tages legt er die Beute der Obrigkeit vor, um die geſezmäßige Belohnung dafür zu empfangen. Das Fell wird verhandelt und auch der Körper, welchen der Schlächter zerwirkt und an Europäer verkauft; in Algerien wird der Löwe auch von dieſen gern gegeſſen. „Die Araber ſangen junge

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