Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

4 Ein Blik auf das Leben der Geſamtheit.

überein; die Anzahl der wahren oder das Bruſtbein erreichenden im Verhältniſſe zu den ſogenannten falſchen oder dur< Knorpelmaſſe mittelbar an das Bruſtbein gehefteten oder frei endigenden Rippen iſt aber großen Shwankungen unterworfen. Die Gliedmaßen ſind diejenigen Teile des Säugetierleibes, welche ſhon im Gerippe die größten Verſchiedenheiten bemerkli<h werden laſſen: — fehlt do< das hintere Paar manchen Waltieren gänzlich oder verkümmert wenigſtens bis auf unbedeutende Reſte! Auch am vorderen Gliederpaare weiſen namentli<h der Schultergürtel und die Hand oft weſentliche Abweichungen auf; das S<hlüſſelbein kann ſehr ſtark ſein oder gänzlich fehlen; die Finger ſind ſämtlich vorhanden oder zum Teil verkümmert, je nachdem die Hand zur Pfote oder Tate, zum Hufe oder zur Floſſe geworden iſt: es kann die gewöhnliche Fingerzahl Fünf bis auf Eins herabſinken. Die Ausbildung der Knochen des Beines iſt niht minder verſchiedenartig.

Das Knochengerüſt des Säugetierkörpers wird durch die Muskeln bewegt, dur dieſelben Gebilde, welche bei vielen Tieren für uns weitaus das Wichtigſte des ganzen Leibes ſind, weil ſie uns zur Nahrung dienen. Dieſe Muskeln, welche wir im gewöhnlichen Leben einfa „Fleiſh“ zu nennen pflegen, ſind an den Knochen befeſtigt und bewegen dieſe nah verſchiedenen Nichtungen hin. J< würde eine genaue Kenntnis des menſchlichen Leibes vorausſeßen müſſen, wollte ih ſie beſchreiben, und ih will meinen Leſern nicht gern dur< niht ſtreng hierher gehörige Auseinanderſeßzungen läſtig werden. So mag es genügen, wenn ih bemerke, daß die Muskeln durchaus im Einklange mit den Eigentümlichkeiten des Gerippes und mit der Lebensweiſe des Tieres ſtehen, welche, teilweiſe wenigſtens, mit der Geſtalt desſelben eng zuſammenhängt. Mannigfache Veränderungen der ganzen Anlage erſchweren zudem eine überſichtliche Beſchreibung. Dem einen Tiere fehlt dieſer Muskel ganz, bei dem andern iſt er beſonders entwi>elt: der Wal beſitzt gar keine eigentlichen Halsmusfeln, bei dem Affen ſind ſie faſt ebenſo ausgebildet wie bei dem Menſchen; die Säugetiere, welche flettern, graben, flattern oder greifen, haben ſtarke Bruſtmuskeln zur Beugung des Armes, diejenigen, welche laufen, ſtarke Hüft- und Schenkelmusfeln; die, welche den Schwanz als fünftes Bein oder überhaupt ſtatt der hinteren Beine benugen, beſißen an ihm kräftige Shwanzmuskeln; die Geſihtsmusfeln ſind bei allen Raubtieren auffallend verſtärkt. Kurz, jedes Tier zeigt eine ſeiner Lebensweiſe entſprehende Ausrüſtung.

Sehr verſchiedenartig gebaut ſind auh die Weichteile des Säugetierleibes. Die Verdauungswerkzeuge laſſen, ſo ſehr ſie einander im ganzen ähneln, viele Abweichungen in ihrem Baue erkennen. Der Mund hat durhweg fleiſchige und feinfühlende Lippen. Die in beide Kiefern eingekeilten und ſie bewaffnenden Zähne kommen in höchſter Ausbildung nur bei Säugetieren vor und ſind für die Lebensweiſe ſowie für die wiſſenſchaftlihe Einordnung und Beſtimmung von entſcheidender Bedeutung. Jhre Einteilung in Schneide-, E>-, Lüden- und Backenzähne iſt bekannt, und ebenſo weiß man wohl auch, daß wiederum der Menſch in ſeinem Gebiſſe eine ſeltene Einhelligkeit der verſchiedenen Zahnarten zeigt; denn jeder meiner Leſer hat geſehen, wie ſehr die E>zähne im Maule des Hundes die Schneidezähne oder wie ſehr dieſe im Maule des Eichhornes die Ba>enzähne durch ihre Ausbildung überbieten. Die Zähne ſtehen immer in hohem Einklänge mit der Ernährungsweiſe des Tieres:

„Jeglicher Mund iſt geſhi>t, die Speiſe zu faſſen,

Welche dem Körper gebührt, es ſei nun ſ{<hwähli< und zahnlos Oder mächtig der Kiefer gezahnt; in jeglihem Falle

Fördert ein ſhi>li< Organ den Gliedern die Nahrung“.

So mag nun alſo der Mund gar keine Zähne mehr haben, wie bei dem Ameiſenigel, oder über zweihundert Zähne zählen, wie bei einem Delphin: immer wird er der Ernährungsweiſe des Tieres entſprechen.