Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Pardel: Weſen. Aufenthalt. Jagdkünſte. Verwegenheit. 467

den Jaguar, ſtellenweiſe geradezu Tiger, weil man unter dieſem Namen das Urbild eines blutdürſtigen Weſens bezeihnet. Und wahrhaftig, keine andere altweltliche Kaße kann den Namen des fur<htbarſten Gliedes der Familie mehr als er verdienen. Ex mordet alle Geſchöpfe, welche er bewältigen kann, gleichviel, ob ſie groß oder klein ſind, ob ſie ſih wehren oder ihm ohne Abwehr zur Beute fallen. Antilopen, Schakale und Kleinvieh bilden wohl ſeine Hauptnahrung; aber er klettert auh den Affen auf den Bäumen, den Klippſchliefern in dem Gefelſe nah, beſpringt Trappen und Perlhühner bis zu den kleinſten Vögeln herab und verſhmäht ſicherlih au< Lurche niht. Alles Getier iſt ihm ret; aber er verſchlingt auh na< Pechuel-Loeſhes Beobachtungen die fetten Früchte der Olpalme. Den Pavianen iſt er beſtändig auf den Ferſen; er verhindert ein gefährlihes Überhandnehmen dieſer Tiere: dies ſieht man in jenen Höhen, wo er niht hinkommt.

Unter eingepfer<hten Herden ſoll er gelegentlih ein wirklihes Blutbad anrichten und in einer einzigen Nacht ein Dußend und mehr Schafe töten. Deshalb wird er von den Viehhaltern auh weit mehr gefürchtet als andere Räuber, welche ſih meiſt mit einer Beute begnügen. Den Hühnern ſchleiht er ohne Unterlaß nah. Jn Südafrika iſt man der Anſicht, daß er Ziegen den Schafen vorziehe. „Der Farmer“, ſagt Fritſch, „ſicht es daher nicht ungern, wenn ſein Hirt ſih einige Ziegen hält, weil er weiß, daß, wenn Ziegen mit ſeinen Schafen weiden, der Leopard ſicher die erſteren holen und ſein Vieh verſchonen wird.“ Dieſer Glaube iſt wohl vornehmlich entſtanden, weil jene niht ſo flüchtig ſind wie dieſe und beſonders au< auf weiten Märſchen, Reiſezügen viel {hneller ermatten als Schafe, zurü>bleiben und ſomit dem Räuber leichter zufallen.

Mit der Kühnheit und Raubluſt verbindet der Leopard überdies die größte Frechheit. Dreiſt und unverſchämt kommt er bis in das Dorf oder bis in die Stadt, ja ſelbſt bis in die bewohnten Hütten hinein. Als ſi< Rüppell in der abeſſiniſhen Provinz Simen befand, pa>te ein großer Leopard unfern des Lagerplaßes und bei hellem Tage einen der Eſel, wurde indeſſen noch zeitig genug dur<h das Geſchrei der Hirtenknaben verſheu<ht. „Bei Gondar“, ſagt derſelbe Naturforſcher, „wurden wir durch das Geſchrei einer in unſerem Haushofe befindlihen Ziege aus dem Schlafe gewe>t. Es zeigte ſi, daß ein Leopard über die 9 Schuh hohe Hofmauer geklettert war und die ſchlafende Ziege an der Kehle gepa>t hatte. Ein Piſtolenſhuß, der aber niht traf, verſheuchte das Raubtier aus dem Hofe, in welhem es die ſterbende Ziege zurü>ließ. Nach 2 Stunden kam der Leopard wieder in den Hof geſprungen und drang ſogar bis in mein Schlafzimmer, wo die tote Ziege lag! Als er uns aufſpringen hörte, entfloh er abermals unverleßt. Sieben Tage ſpäter wurden wir nachts dur das Fammergeſchrei unſerer Haushühner gewe>t, welche hoh oben an der Dee des Vorzimmers auf einer ſhwebend hängenden Stange ſaßen. Drei Leoparden auf einmal hatten uns einen Beſuch zugedaht. Während nun mein Neger Abdallah mit geſpanntem Gewehre das Knurren einer dieſer Beſtien in dem Vorhofe bei den Maultieren belauſchte, ſah ih die beiden anderen auf der Mauer des Hinterhofes, wohin ih mich begeben hatte, umhergehen und zwar mit leiſem, aber ſo ſicherem Tritte, daß ih darüber ganz erſtaunt war. Die zu große Dunkelheit der Nacht machte einen ſicheren Shuß unmöglich. Da es den Leoparden gelungen war, einige Hühner zu erhaſchen, ſo konnten wir einer baldigen Wiederholung ihres Beſuches gewiß ſein. Wirklich erſchienen ſie au ſhon in der nähſten Nacht wieder. Einer aber, welcher bereits zwei Stü Geflügel ertappt hatte, mußte mit dem Leben büßen, indem Abdallah ihm durch einen glü>lichen Schuß die Wirbelſäule zerſhmetterte.“

Von ſeiner kühnen Mordluſt lieferte der Leopard auh mix einen ſchlagenden Beweis. Wir ritten vormittags durch einen Teil des Bogosgebirges. Da hörten wir über uns wieder einmal das ſtets zur Jagd herausfordernde Gebell der großen Paviane und beſchloſſen ſo-

fort, unſere Büchſen an ihnen zu erproben. Unſere Leute blieben unten im Thale, um die 30*