Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Pardel: Beutegier. Frechheit. Gefährlichkeit. Menſchenraub. 469

wehren. Jn vielen Gegenden Afrikas müſſen die Eingeborenen für ihre Haustiere feſte Ställe aus Pfoſten und Knüppeln herſtellen, damit ſie nahts wenigſtens gegen den Leoparden geſichert ſind.

Wenn der Leopard ſeine Jungen bedroht glaubt, angegriffen oder verwundet wird, ſtürzt er ſich man<hmal wie raſend auf ſeinen Gegner. So erzählt Cumming, daß einer ſeiner Freunde, welcher einen Parder nur verwundete, augenbli>li< von ihm angeſprungen, niedergeworfen und gräßlich zerfleiſht, aber zum Glü> doch gerettet wurde, weil der Gegner den- nächſten Augenbli> ſchon ſeiner eigenen Wunde erlag. So erging es auch im Hererolande dem jungen Erikſon, dem bekannten ſüdafrikaniſchen Jäger, als er zum erſtenmal auf einen Leoparden \{hoß. Der Diener des Geiſtlichen Stella in den Bogosländern wurde, wie man mix mitteilte, dur<h einen Leoparden, auf welchen er geſchoſſen hatte, getötet. Man kennt übrigens auch Beiſpiele, daß der Räuber, ohne irgend gereizt zu ſein, den Menſchen angriff. Kolbe berichtet, daß der Bürgermeiſter der Kapſtadt unverſehens von einem Leoparden angeſprungen wurde; er konnte zwar nach hartem Kampfe das Tier überwältigen, hatte aber an ſeinen Wunden noch lange zu leiden. Fn Abeſſinien kommen alljährlih Unglü>Ssfälle vor, ſelbſt erwachſene, wehrhafte Leute werden von dem Leoparden angegriffen und umgebracht, Kinder nimmt ex noh häufiger.

Auch in Weſtafrika gefährdet er man<hmal Menſchen. Pechuel-Loeſche erzählt, daß dies an der Loangoküſte Mitte der ſiebziger Fahre zweimal geſchehen ſei. Ein Leopard dur<brach in einem Fiſcherdorfe die Schilfwand einer Hütte und überfiel ein darin ſ{<lafendes menſtruierendes Mädchen. Dieſes war kräftig genug, ſih des Näubers zu erwehren, der dur den im Dorfe entſtehenden Aufruhr verſheuht wurde. Das Mädchen war übel zerflaut. Zum anderen kam gegen Abend ein Leopard in den Hof einer in Yumba errichteten Faktorei und griff einen auf der Veranda des Wohnhauſes mit Meſſerpußen beſchäftigten eingeborenen Knaben. Ein mutiger Hund fiel den Räuber an, der den Menſchen fallen ließ, dafür den Beſchüßer pa>te und mit ihm in den nahen Wald entkam. Der Knabe erlag ſeinen Verlegungen am nächſten Tage. Seit Menſchengedenken waren dies die einzigen Fälle in jenem großen Küſtenſtriche, daß Leoparden ſih ungereizt an Menſchen vergriffen hatten; darum waren die Eingeborenen feſt überzeugt, daß ſie es mit Werwölfen zu thun hätten. Der Leopard von Yumba machte nah wie vor die Gegend unſicher. Einmal ſchritt er am hellen Tage über einen freien Plaß vor einer Faktorei, 50 Schritt von dem Verwalter, der dort mit einem Haufen von lärmenden Eingeborenen verhandelte. Anſtand, Schleichund Treibjagd waren gleich erfolglos, während der frehe Räuber bald auf der einen, bald auf der anderen Seile des breiten Banya geſehen wurde und Schafe, Ziegen, Hunde, Hühner ſ{lug. Erſt 2 Fahre ſpäter fügte es der Zufall, daß ein Engländer den Gefürchteten mit grobem Schrote niederſtre>te, als er am hellen Tage etliche Schafe bis ins Gehöft verfolgte. Übrigens fürchtet man in Loango und benachbarten Gebieten die Leoparden nicht ſonderlich: Männer, Weiber, Kinder durchſtreifen furchtlos Wälder und Di>kungen, wo ſie hauſen. Von rihtigen Menſchenfreſſern wird in Afrika nichts berichtet.

Anders in Fndien. Die amtlichen Aufſtellungen geben an, daß im lebten Jahrzehnte (bis 1886) von ihnen alljährlih je 194—300, zuſammen 2368 Menſchen getötet worden ſind, während gleichzeitig alljährlih je 3047—5466 der Beſtien zur Stre>e gebracht wuxden. Wie viele von dieſen Unglücksfällen aber durch gereizte und verwundete Tiere verurſaht wurden, wird ebenſowenig wie vom Tiger mitgeteilt. Sanderſon ſagt ausdrülich, ihm ſei kein Fall vorgekommen, daß Panther ſih gleih Tigern zu Menſchenfreſſern ausgebildet hätten, do< werde aus manchen Teilen Fndiens darüber geklagt. Blanford ſchreibt, daß ſie „gelegentli<h ſi< ans Menſchenfreſſen gewöhnen und dann, infolge ihrer Verwegenheit, ſogar zu furhtbareren Geißeln werden als Tiger mit gleichen Gewohnheiten“.