Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

474 Vierte Ordnung: Raubtiere; erſte Familie: Kaßen.

was ihre ſ{höne Zeichnung als ihr hübſches Betragen betrifft. Sie ſpielen luſtig wie die Katen untereinander und mit ihrer Mutter, welche ſie zärtlihh liebt und mutvoll verteidigt. Freilebend verbirgt dieſe ihre Nachkommenſchaft in einer Felſenhöhle, unter den Wurzeln eines ſtarken Baumes, in dichten Gebüſchen; ſobald die Kleinen aber einmal die Größe einer ſtarken Hauskate erreicht haben, begleiten ſie die Alte bei ihren nächtlichen Raubzügen und kommen, dank des guten Unterrichts, welchen ſie genießen, bald dahin, ſi ſelbſt ihre Nahrung zu erwerben. Eine ſäugende Alte wird zu einer Geißel für die ganze Gegend. Sie raubt und mordet mit der allergrößten Kühnheit, iſt aber denno< vorſichtiger als je, und ſo kommt es, daß man nux in ſeltenen Fällen ihrer oder der Jungen habhaft werden fann. Übrigens thun die Leoparden auh {hon während ihrer Paarungszeit an ein und demſelben Orte viel Schaden, obſchon ſie, ſolange ſie durch die Liebe beſchäftigt werden, weniger blutgierig und räuberiſh ſein ſollen. Man hat bisweilen ihrer 6—8 zu gleicher Zeit bemerkt.

Obgleich nur die allerwenigſten Leoparden, welche man jung oder alt fängt, nah Europa gebracht werden, iſt die ſchöne Kaze doch in allen Tiergärten und Tierſchaubuden eine gewöhnliche Erſcheinung. Bei gehöriger Pflege hält der Leopard die Gefangenſchaft lange aus. Er verlangt, wie alle Katen, einen warmen und reinlichen Käfig und täglih etwas mehr als 1 kg gutes Fleiſch, iſt aber im übrigen ſehr anſpru<hslos. Bei beſonders guter Laune ſpringt er in ſchnellen, eigentümlich fünſtlihen Säßen, welche gewöhnlich 2 durcheinander geſ<lungene Kreiſe bilden, unauſhörlich in ſeinem Käfig auf und ab. Zur Ruhe wählt ex, ſolange er mit ſeiner Umgebung ſih noh nicht befreundet hat, die dunkelſte Ee ſeines Käfigs, ſpäter mit Vorliebe einen erhöhten Baumaſt und dergleichen. Ungeſtört hält er einen mehrere Stunden währenden Mittagsſchlaf; ſo feſt er aber auch zu ſchlafen ſcheint, ſo ſicher vernimmt er jedes Geräuſch: die Ohren ſpigen, die Augen öffnen ſich, um nach der Urſache desſelben zu forſchen, und ſeine volle Aufmerkſamkeit wird rege. Jedes Tier, welches an ſeinem Käfig vorübergeht, erwe>t ſeine Raubluſt: lautlos dut er ſich nieder, legt ſich zum Sprunge zure<t und verfolgt alle Bewegungen der erſehnten Beute, auh wenn er dur unzählige Verſuche erprobt hat, daß das Gitter des Käfigs jeden Raubverſuch vereitelt. Seine Raubtiérnatur macht ſich eben geltend; er verſucht wenigſtens, einen Raub auszuführen. Gewährt man ihm mehr Freiheit, als er zeitweilig genoß, ſo macht ſich der alte ſündhafte Adam ſofort wieder bemerklih, und man lernt jet in ihm das Raubtier kennen, wie es war und iſt.

Während meines Aufenthaltes in Afrika hielt ih einen männlichen Pardel geraume Heit in Gefangenſchaft, konnte es aber niemals zu einem erträglihen Verhältnis zwiſchen mix und ihm bringen. Sobald i< mi< dem Käfig näherte, drü>te er dur< Grinſen und Zähnefletſchen, wohl au< durch ein heiſeres Fauchen ſeine Unzufriedenheit aus, und wenn ih mich ihm nur einen Zoll weiter als gewöhnlich näherte, durfte ih ſicher darauf rehnen, daß er mit einer ſeiner Tagen nah mir ſ{<lug, natürli regelmäßig dann, wenn ih es mich am wenigſten verſah. Jh hatte ihn, wie alle die Raubtiere, welche ih bei mir führte, mittels einer langen Kette noh beſonders feſſeln laſſen, und ſo durfte ih mir ſchon das Vergnügen gewähren, ihn zuweilen aus dem Käfig herauszulaſſen. Sobald er auf den Hof trat, begann er förmlih zu raſen, ſprang wie toll empor, dehnte ſich, zog Geſichter, fauchte und warf die wildeſten Blide nac allen Seiten. Dabei ging er jedem, welcher ſich ihm näherte, ſofort zu Leibe und gebärdete ſi ſo ſprechend, daß wir wohl wußten, er würde uns niederreißen, wenn er uns erlangen könnte. Fe mehr ich die Kette dur einen angebundenen Stri> verlängerte, um ſo toller wurden ſeine Bewegungen, um ſo mehr ſteigerte ſich ſeine Wut. Die ganze Wildheit des freilebenden Tieres, welche lange gewaltſam unterdrü>t worden war, ſchien durhzubrechen, der Blutdurſt regte ſih, und ſeine Augen drohten der ganzen übrigen Tiergeſellſhaft Tod und Verderben. Gurgelnd flogen die Affen an den

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