Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Bewegungsfähigkeit. 7

heitere Lebendigkeit und unerſchöpfliche Lebensfröhlichkeit der Lieblinge des Lichtes; ſie zeigen dafür eine gewiſſe Behäbigkeit und Lebensgenußſucht, welche vielen ſehr gut und vielen ſehr ſ<le<t anſteht. Hinſichtlich ihrer Beweglichkeit und Bewegungsfähigkeit kommen ſie den Vögeln nicht im entfernteſten gleih. Nur wenige kennen die unbeſchreibliche Luſt einer ungebundenen Bewegung, nur wenige jagen jauhzend zwe>los umher. Sie haben ein ernſthaftes Weſen und verſhmähen ein unnüßes Anſtrengen ihrer leiblihen Kräfte. Bloß in der Kindheit, und wenn die allmächtige Liebe ſie kindiſh oder kindlih macht, ſind ſie zu fröhlichem Spiele geneigt und geben ſih ganz der Luſt der Bewegung hin. Bei den Vögeln iſ es anders. Hier heißt ſih bewegen leben, und leben ſih bewegen. Der Vogel iſt in ſteter Unruhe und möchte am liebſten die ganze Nacht zum Tage machen, um ſeiner ewigen Regſamkeit volles Genüge zu leiſten. Sein kleines Herz ſ{hlägt ſhneller, ſein Blut jagt ſtürmiſcher dur ſeine Adern, ſeine Glieder ſcheinen gelenker, geſtählter zu ſein, als es bei den Säugetieren der Fall iſt. Das Säugetier ſcheint die wahre Lebensbehaglichkeit erſt zu empfinden, wenn es ſich möglichſt bequem hingelagert hat und ſih, wenn nicht dem Schlafe, ſo doh wenigſtens einem Halbſ{hlummer hingeben kann. Ein in ſolchem Zuſtande verharrender, fauler Menſch, ein auf dem Nücken liegender Hund, eine auf weichem Polſter ruhende Kaße und vor allem der wiederkäuende Ochs mögen meine Behauptung bildlich erläutern: erſterer hat mit leßterem noh das gemein, daß er ſi< na< Kräften bemüht, während der Ruhe des Leibes auch dem Geiſte die ausgiebigſte Erholung zu gönnen. Cin ſolches „ſüßes Nichtsthun“ mit offenen Augen kommt unter den Vögeln höchſtens bei einem toll: und vollgefreſſenen Geier vor. Sie ſind eben Bewegungs-, jene Empfindungstiere.

Man kann allerdings nicht ſagen, daß die Bewegungsfähigkeit der Säugetiere gering ſei; denn ſie gehen, laufen, ſpringen, klettern, „fliegen“, ſ{<wimmen und tauchen wie die Vögel. Aber die Maſſe beherrſcht, die Scholle feſſelt ſie, und ſo wird ihre größte Schnelligfeit von den Seglern der Lüfte, von den erdfrei gewordenen, luftigen Vögeln durchſcnittlih überboten. Fa ſelbſt die Erdvögel, wie der Strauß oder der Kaſuar, wetteifern im Laufen mit dem ſnellfüßigen Roſſe oder der behenden Antilope. Und wenn die armen Säugetiere nun gar verſuchen wollen, den gefiederten Scharen es gleihzuthun, zeigen ſie erſt ret, wie weit ſie hinter dieſen zurückſtehen: — die Fledermaus iſt nur ein Zerrbild des Vogels.

Die Säugetiere gehen auf zwei oder auf vier Beinen. Einen aufrehten Gang hat bloß der Menſch, kein zweites Tier außer ihm. Kein Affe geht aufreht; die Känguruhs oder Springbeuteltiere, welche ſi< aus\<ließli< auf den Hinterbeinen fortbewegen, gehen niht, ſondern ſpringen, d. h. fördern ſi< durh Aufſchnellen ihrer Beine ſaßweiſe, und die Springmäuſe, welche eins ihrer Hinterbeine um das andere bewegen, gehen niht aufreht. Alle übrigen Landtiere laufen auf ihren vier Füßen, und zwar indem ſie ein Vorderbein und das gegenſeitige Hinterbein zugleich oder faſt zugleich aufheben, vorſtre>Œen und wieder niederſeßen. Eine Ausnahme hiervon machen Elefant, Nilpferd,-Kamel, Giraffe und mehrere Antilopen: ſie bewegen beide Beine einer Seite faſt genau zu gleicher Zeit. Dieſe Gangart, der Paß, fann auh unſeren gezähmten Einhufern anerzogen werden. Jede Beſchleunigung des Gehens hebt beide Gangarten, den Paß oder den Wechſelſchritt, wenigſtens ſcheinbar auf. Man glaubt nämlich, daß ein im ſchnellſten Laufe dahinjagendes Tier zuerſt beide Vorder: füße und dann beide Hinterfüße auf den Boden ſeße und wieder erhöbe, obgleih es in Wirklichkeit ſeinen urſprünglichen Gang behält. Die Schnelligkeit dieſer Bewegung iſt ſo verſchieden, daß eine allgemeine Schäßung derſelben hier unausführbar erſcheint; zudem hat man ſie auh nur beim Pferde genau gemeſſen. Auf freier ebener Bahn legen die ſchnellſten Renner mehrere Kilometer mit einer dur{<ſ<nittlichen Geſchwindigkeit von etwa 15 m in 1 Sekunde zurü>. Eine ähnliche Schnelligkeit dürfte im Freileben der Säugetiere