Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Jaguar: Feuerſheu. Stimme. Menſchenraub. 499

gegen das Brüllen. „Selbſt wo ſie häufig ſind“, ſchreibt A. Göring, „iſt es mix nur einigemal vorgekommen, daß ih ſie hörte, und zwar einmal ganz nahe bei mir, während das Tiex unſer Lagerfeuer umkreiſte. Das waren aber nur kurz ausgeſtoßene Töne, die ſehr leiſe an unſer Ohr klangen, noch lange nicht ſo etwas wie Brüllen.“ Sievers meldet: „Soweit meine Erfahrung reiht, kann von einem Brüllen niht geſprochen werden. Die Brüllaffen machen jedenfalls ſehr viel mehr Lärm, und ih glaube, daß Neiſende oft Brüllaffengetöſe auf Re<hnung des Jaguars geſeßt haben, wie es mix anfangs auh gegangen iſt. Stark iſt das Geſchrei des Jaguars gewiß niht.“ Und A. Stübel antwortet: „Fh beſinne mi niht, jemals bei meinem Verweilen im Urwalde — auh niht auf dem Wege nah Moyobamba — dur das „Brüllen“ des Jaguars beunruhigt worden zu ſein. Die Bezeichnung „Gebrüll“ ſcheint mix in keinem Falle rihtig gewählt; höchſtens würde man von einem Geheul ſprechen können; „kaßenähnliches Geſchrei“ dürfte am treffendſten ſein.“ Schließlich äußert ſih K. von den Steinen folgendermaßen: „Wie das Auge, das ſih vergebens nach Farbenpracht und Blütenfülle umſchaut, am Tage zu kurz kommt, ſo wird zur Nachtzeit das Ohr elendiglih um die in Ausſicht geſtellten Genüſſe betrogen, wenn es mit geſpannter Aufz merkſamkeii darauf lauſcht, daß nun „der Urwald lebendig werde“, ja und vor allem, daß endlih einmal der Humboldtſhe Jaguar brülle. F< bin ganz Jhrer Anſicht; mag ein gereiztes oder kämpfendes Tier vielleicht gelegentlich ſtärker grollende Töne von ſich geben, die man bei einiger Phantaſie mit Brüllen bezeihnen kann, — aber an die programmmüäßige Brüllmuſik in der Nähe der Lagerpläße glaube ih niht mehr. Unter allen Umſtänden iſt die Häufigkeit Übertreibung oder unwahre Verallgemeinerung. Wir haben den Jaguar niht ſehr oft gehört; von Brüllen war niemals die Nede. Die Töne, welche dem ſtärkſten Affekt zu entſprechen ſchienen, ließen ſi<h höchſtens als ein lautes, grimmiges und meinetwegen unheimliches Knurren bezeihnen. Unſere Leute haben ſi< in einer Nacht gewaltig darüber geſtritten, ob ein lautes, flagendes Knurren dem Socco-boi, einem reiherähnlichen Vogel, oder der Unze entſtamme. Mein Vetter hat von dem Faguar in ſeinem Tagebuche an einer Stelle vermerkt: „hao, hao, hao, hao-e-o, wie einer, der an ſtarken Leibſhmerzen leidet‘, nun, das iſt weniger poetiſch, aber für unſere Frage charakteriſtiſch, denn es entſpricht beſtenfalls dem Wehegeheul einer verliebten oder hungrigen Kaße, aber nicht einem Gebrüll.“ Nach dieſen Zeugniſſen kann wohl vom „Brüllen“ des Faguars fernerhin niht mehr die Nede ſein; gleih den Pardeln und dem Tiger iſt ex überhaupt kein häufig laut werdendes Tier, fnurrt, grunzt, heult und läßt höchſtens ein ſeiner Größe entſprechendes Kaßengeſchrei hören.

Azara behauptet, daß der Faguar, wenn er einen Trupp ſchlafender Menſchen anträfe, erſt die Neger oder die FJndianer und nur nachher die Weißen töte. Dies iſt, wie Nengger berichtet, ein Frrtum. Der Jaguar mordet, gleich wie bei den Tieren, nie mehr als einen Menſchen auf einmal, wenn er ſih nämlich nicht verteidigen muß. So viel aber ſcheint richtig, daß er den Farbigen dem Weißen vorzieht, falls man niht den Umſtand falſch gedeutet hat, daß ex jenem ſo viel mal öfter als dieſem begegnet. Man erzählt, daß Menſchen, welche am Tage unverſehens auf einen Jaguar ſtießen, denſelben durch lauten Zuruf und ſonſtiges beherztes Verhalten zurü>geſchre>t haben; die Angabe erſcheint nah Beobachtungen an an-= deren großen Kaßen durchaus glaubwürdig.

Jn der Ebene von Maynas verſtrih, nah Pöppig, kaum ein Fahr ohne Verluſt eines

tenſchenlebens. Die Unzen kamen bei hellem Tage in die Ortſchaften, um Hunde zu holen, welche ihre Lieblingsſpeiſe bilden. Beſonders berüchtigt war der Weg durch einige dichte Wäldex, von Sapuoſa bis Moyobamba, weil auf ihm innerhalb eines Menſchenalters gegen 20 Fndianer zerriſſen worden ſind, welche man als Fußboten verſandt hatte. Einer von

Schom burgks Fndianern trug auf ſeiner Bruſt die Narben von den Zähnen eines Jaguars, 32 *