Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

498 Vierte Ordnung: Raubtiere; erſte Familie: Katzen.

gegenteilige Beobachtungen nicht vorliegen, zu bezweifeln ſein; er wird ſih darin von ſeinen Verwandten ſ{hwerlih unterſcheiden. Fn der Regel kehrt er, nachdem er ſich geſättigt hat, überhaupt niht wieder zum Raube zurü>. Hat er ſeinen Fang in einiger Entfernung vom Walde gemacht, ſo ſ{<leppt er das erlegte Tier, es mag auh noh ſo ſhwer ſein, dem Gebüſche zu. Unter Umſtänden ſchaft er eine ſhwere Beute ſogar über einen Fluß hinweg. Nahe bei Azaras Wohnung tötete ein Faguar ein Pferd, ſchleiſte dasſelbe 60 Schritt weit über einen Bracha>ker hinweg, dann in einen tiefen und reißenden Fluß und brachte es auf der entgegengeſeßten Seite in Sicherheit. Niemals tötet die Unze mehr als ein Stück Vieh auf einmal und unterſcheidet ſich hierdurch ſehr zu ihrem Vorteile von anderen größeren Kaßenarten.

Ein Jaguar, welcher den Menſchen nicht kennen gelernt hat, weicht ihm, wenn ex ihm begegnet, ehrfur<htsvoll aus oder ſieht ihn neugierig aus der Ferne an. „Nicht ſelten“ ſagt Renagger, „ſtießen wir während unſerer Reiſe in die Wildnis des nördlichen Paraguay auf eine oder mehrere Unzen, welche entweder in das Dickicht des Waldes flohen, oder ſi am Saume niederſeßten und unſeren Zug kaltblütig von weitem betrachteten. Es iſt ohne Beiſpiel, daß in unbewohnten Waldungen ein Menſch von einem Faguar zerriſſen worden iſt. Diejenigen Unzen aber, welche in bewohnten Gegenden oder an Flüſſen, wo viel Schifffahrt getrieben wird, ſih aufhalten, verlieren gar bald die Scheu vor dem Menſchen und greifen au< ihn an. Der allgemeinen Sage nach ſollen ſie des Nachts auf die an das Ufer angebundenen Fahrzeuge ſih gewagt und aufgehängtes Fleiſh oder Hunde weggeſhleppt, ja ſelbſt Matroſen tödlich verwundet haben; gewöhnlich aber büßen die Menſchen nux dur< Unvorſichtigkeit ihr Leben ein: die Vorſichtigen wiſſen ſih zu retten. So laufen die Beſuche, welche die Raubtiere den Fiſchern abſtatten, während ſie bei widrigem Winde ihre Abendmahlzeit bereiten, gewöhnlih unblutig ab, weil die Schiffer beim geringſten Geräuſche an Bord ſi flüchten. Sie überlaſſen dem Jaguar das am Feuer bratende Fleiſch, und dieſer nimmt damit_gewöhnlih au< gern vorlieb. Daß er das Feuer keineswegs ſcheut, iſt ganz ſicher.“ Humboldt erfuhr leßteres wiederholt. „Wir bemerkten zu unſerer Überraſchung“, ſagt er, „daß die Jaguare hier unſere Feuer niht ſcheueten. Sie ſhwammen über den Flußarm, welcher uns vom Lande trennte, und am Morgen hörten wirx ſie ganz in unſerer Nähe brüllen.“ An einer anderen Stelle ſeines Reiſewerkes berichtet er, daß ein Jaguar den treuen Hund der Geſellſchaft ſozuſagen zwiſchen den Lagerfeuern herausholte und wegſ{<leppte. Der Hund hatte abends, als er die Unze „brüllen“ hörte, unter der Hängematte ſeines Gebieters Schuß geſuht und war am nächſten Morgen doh verſ<hwunden.

Das vielberufene „Brüllen“ des Jaguars kann übrigens nicht ſonderli<h eindru>svoll ſein. Frühere Reiſende haben entweder die Bezeichnung ſorglos gewählt, oder Stimmen anderer Tiere dafür genommen, oder die Laute in der ihnen unheimlichen fremden Natur allzu großartig aufgefaßt. Pöppig ſpricht zwar auch von „einem furchtbaren, dröhnenden Gebrüll, welches zumal in ſtillen Nähten ſhauerli<h aus den Wäldern hervortlingt“, wobei natürlich dahingeſtellt bleiben muß, woher es ſtammt, ſagt aber doh, daß die Unze, wenn ſie Lagerpläße und Wohnſiße umſchleihe, bloß „ein kurzes, abgebrochenes, aber fortgeſeßtes Grunzen“ hören laſſe. Neuere Reiſende wiſſen nihts vom Brüllen zu berihten. Appun ſpricht nux von dem „kagenähnlihen Geſchrei“ des Jaguars; Pechuel-Loeſche hat vergeblih etwas wie Brüllen zu hören erwartet; Sas vernahm im Lager am Orinokoufer nächtlicherweile „leiſes, kaßenartiges Winſeln, lautes Geheul“/ aber nur „dumpfe, tief grollende Töne in unmittelbarſter Nähe. Meine Begleiter“, fährt er fort, „erwachten, der Jndianer murmelte gleichgültig: „der Tiger iſt nahe‘, und fachte das Feuer an.“ Bei K. von den Steinen findet ſih der bezeichnende Saß: „Nachts „brüllte der Faguar/, d. h. vom jenſeitigen Ufer erklang unausgeſeßt ein ziemlich kläglicher Kaßen-, faſt Unkenton.“ Auf beſondere briefliche Anfragen erfolgte Mitteilungen von Forſchern wenden ſi< ausnahmslos