Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

10 Ein Bli> auf das Leben der Geſamtheit.

ihren Beinen ausgeſpannte Haut eben nur als Fallſchirm, wenn ſie aus der Höhe in die Tiefe hinabſpringen wollen, und ſind niht im ſtande, ſi< dur< Bewegen dieſer Haut in freier Luft zu erheben. Auch die Flattermakis vermögen niht etwas anderes zu leiſten. Einzig und allein die wahren Fledermäuſe ſind befähigt, mit Hilfe der Flughaut, welche zwiſchen ihren Gliedmaßen und zumal zwiſchen ihren unmäßig verlängerten Fingern ſich ausſpannt, in der Luft ſih zu bewegen. Das geſchieht, indem ſie mit der ausgeſpannten Flughaut chief auf die Luft ſchlagen und ſi<h dadur< erheben und zugleih fördern. Es ſcheint, als ob ihr ſogenanntes Fliegen ſehr leicht von ſtatten ginge. Sie machen ſo ſchnelle und jähe Wendungen, daß ſie bloß von einem recht tüchtigen Schüßen im Fluge erlegt werden können, ſtreichen flatternd raſh eine Stre>e weit fort und heben und ſenken \i<h gewandt und ſ{nell. Und dennoch iſt dieſe Bewegung kein Flug, ſondern nurx ein ſ{<hwerfälliges Sih-Dahinwälzen, ein Kriechen durch die Luſt. Feder Windhauch ſtört das Flattern der Fledermaus, ein Sturm macht es unmögli<h! Der Grund hiervon iſt leicht zu exkennen. Die Flughaut iſt niht eine Fläche wie der Vogelflügel, welche bald den Durchzug der Luſt verwehrt, bald aber erlaubt, ſondern verurſacht bei jeder Bewegung Widerſtand. Wenn nun auh das Flugwerkzeug des Säugetieres beim Heben etwas verkleinert wird, bleibt der größere Widerſtand doh fühlbar und drückt das Tier wieder etwas nah unten; der Niederſchlag hebt es, der Aufzug ſenkt es: es muß flattern! Wie ganz anders erſcheint der Flug des Vogels! „Er iſt“, ſo habe ih mih früher ausgedrüct, „die töſtlihſte, erhabenſte aller Bewegungen: bald ein geruhiges Schweben, bald ein pſeilſ<hnelles Stürmen, bald ein Wiegen, Schaukeln, Spielen, bald ein Gleiten, Dahinſchießen, ernſtes Eilen, bald ein Reiſen mit Gedankenſchnelle, bald ein Luſtwandeln, langſam, gemächlich; bald rauſchen die Wellen des Äthermeeres unter ihm, bald hört man keinen Laut, auch nicht den geringſten, leiſeſten; bald erfordert er ſhwere Flügelſchläge, bald keine einzige Flügelbewegung; bald erhebt er den Vogel zu Höhen, von denen uns Menſchen nur träumt, bald nähert er ihn der Tiefe, dem Meere, daß deſſen Wogen die Fittiche neßen mit ihrem Schaume.“ Ex fann ſo mannigfaltig, ſo verſchieden ſein, als ex nux will: immer bleibt und immer heißt er Flug. Bloß das Flugwerkzeug des Vogels nennen wir Flügel; nur mit ihm begabt der Künſtlergedanke die entfeſſelte Seele: — mit der Flughaut der Fledermaus verhäßlicht er dagegen den Teufel. Mag auch die nächtliche Lebensweiſe der Fledermäuſe den erſten Gedanken zu ſolchen Einbildungen gegeben haben: die Form, die Geſtalt der Flughaut iſt maßgebend geweſen. Und weil ſolche Flatterhaut nun gerade „dem aus der Höhe zur Tiefe geſtürzten Engel verliehen wurde“, während der „nah oben {<webende Bote des Himmels“ die Schwinge erhielt deutet dies ſinnbildlih darauf hin, daß die unbewußte Dichterſeele des Künſtlers wenigſtens die eine Wahrheit ahnte: Nur der Vogel iſt erdfrei geworden, das Säugetier hängt auh mit Flügelgedanken no< an der Scholle!

Hierbei iſt aber noch eins zu bedenken. Der allervollendetſte Flieger, der Segler allein, nux ex, welcher ſo rect eigentlich der Höhe angehört, iſt mit der erlangten Erdfreiheit auh fremd auf der Erde geworden; der Flatterer iſt es ſtets. Jedes Flatterſäugetier erſcheint als ein trauriges Mittelding zwiſchen den Geſchöpfen der Tiefe und denen der Höhe. Auf der Erde läuft ſelbſt das überaus behende Flattereihhorn verhältnismäßig ſ<werfällig dahin; die Fledermaus aber humpelt eben bloß noh. An den Hinterbeinen hängt ſie ſich auf zum Schlafen, das Haupt immer erdwärts gekehrt; auf ihren Flugwerlzeugen krieht ſie weiter! Nux halb vertraut mit dem Äther, fremd auf der Erde: — wel< trauriges Los iſt ihr geworden mit ihrem „Flügel!“ —

Freundlicher, beglüc>ender für das Tier iſt die vielen Säugern verliehene Gabe, das Waſſer bewohnen, in ihm ſ{hwimmen, in ſeine Tiefen hinabtauchen zu können. Nur ſehr wenige Säugetiere ſind gänzlih unfähig, ſchwimmend auf der Oberfläche des Waſſers ſich