Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Luchs: Gewohnheiten. Begabung. Stimme, 54240)

Gefühl bei jeder Bewegung und jedenfalls au< beim Aufſpüren und Aufnehmen einer bereits exfundeten und getöteten Beute. Wie allen Kaßen ſind ihm die Schnurrhaare im Geſichte geradezu unentbehrlih; mit ihnen muß er alles betaſten, mit dem er ſih näher befaſſen will. Die geiſtigen Eigenſchaften unſeres Raubtieres ſind niemals unterſchäßt worden: „Fſſt ſunſt ein röubig thier gleich dem Wolff, doch vil liſtiger“, ſagt der alte Gesner und ſcheint vollſtändig re<ht zu haben, da auch alle neueren Beobachter, welche mit dem Luchſe verkehrten, ihn als ein außerordentlih vorſichtiges, überlegendes und liſtiges Tier ſchildern, welches niemals ſeine Geiſte8gegenwart verliert und in jeder Lage noch beſtmöglich ſeinen Vorteil wahrzunehmen ſu<ht und wahrzunehmen weiß. Mat ſich dies chon bei dem freilebenden Luehſe bemerklih, ſo tritt es, wie wir ſpäter kennen lernen werden, bei gefangenen nur um ſo ſchärfer hervor, ſo daß wir jedenfalls berechtigt ſind, ihn den klügſten Kaßen beizuzählen. |

Frühere Beobachter vergleichen die Stimme des Luchſes mit dem Geheule eines Hundes, bezeihnen ſie damit aber ſehr unrichtig. Jh habe nur gefangene ſchreien hören und muß ſagen, daß die Stimme ſehr ſchwer beſchrieben werden kann. Sie iſt laut, kreiſhend, hohtönig, derjenigen verliebter Kaßen entfernt ähnlih. „Jh habe niht nur“, ſagt Oskar von Loewis, „meine gezähmte Luchskaße, ſondern auh wilde Luchſe zur Nachtzeit in einſamen Wäldern ſhreien zu hören vielfah Gelegenheit gehabt. Aber niemals erlaubte die Stimme des Lulhſes auh nur eine entfernte Ähnlichkeit mit der des Hundes herauszufinden. Sein Geſchrei iſ vielmehr ein plärrend und brüllend hervorgeſtoßener Ton, welcher hoh und fein anhebt und dumpf und tief endet, im Klange eher dem Gebrülle des Bären gleichend. Urſachen des Geſchreies waren bei meinem gezähmten und frei umherlaufenden Luchſé Hunger und Langeweile. Das Knurren und Fauhen bei hohgekrümmtem Rücken war ſtets ein Zeichen der Wut, der kampfbereiten Verteidigung. Ein leiſes, feines, kaßenartiges, unendli ſehnſüchtiges Miauen ließ meine Luchskage bei lüſternem, mordluſtigem Beobachten der Tauben und Hühner oder bei ſ{hmiegſamem Anſchleichen zum Wilde hören. Das anhaltende Spinnen und Shnurren während Wohlbefindens, beziehentlih Streichelns mit der Hand war ganz kaßenartig, nur gröber, derber als das der Hauskagze.“

Der Lu(hs iſt, laut Nol >en, ein durchaus nächtliches Raubtier, verſte>t ſih mit Tagesanbru< und liegt, wenn er niht geſtört wird, bis zur Dunkelheit, wodurch er ſi< vom Wolfe, welcher meiſt ſhon gegen Mittag wieder zu wandern beginnt, weſentlich unterſcheidet. Zu ſeinem Lagexrplaße wählt er eine Felſenkluft oder ein Dickicht, unter Umſtänden vielleicht au< eine größere Höhlung, ſelbſt einen Fuhs- oder Dahsbau. Wenn er ſih de>en oder lagern will, geht er gern auf irgend einem Wege in die Nähe der Di>ung, welche er ausgewählt hat, und ſeßt in mehreren weiten Sprüngen in das Gehölz. Geht der Weg hart an einem Di>ichte vorbei, ſo wirſt er ſih manchmal ſo weit in dieſes hinein, daß man die Spur von außen gar niht ſieht. Fmmer und unfehlbar wählt er die allerdichteſten Schonungen, junges Nadeldi>iht und dergleichen, ohne ſich dabei im übrigen viel um etwa ſtattfindenden Verkehr zu kümmern. Falls es geſtattet iſt, von dem Betragen des gefangenen Luthſes auf das des freilebenden zu ſchließen, darf man annehmen, daß er den Tag über möglichſt auf einer und derſelben Stelle liegen bleibt. Er gibt ſih einem Halbſ<lummer hin, na< Art unſerer Hauskage, welche in gleicher Weiſe halbe Stunden zu verträumen pflegt, aber doh auf alles achtet, was um ſie her vorgeht. Seine ſeinen Sinne ſchüßen ihn auh während ſolher Träumerei vor etwaigen Überraſchungen. J<h habe mich an dem gefangenen, welchen ih pflegte, wiederholt überzeugt, daß gerade der Sinn des Gehöres auch dann in voller Thätigkeit war, wenn der Luchs im tiefſten Schlafe zu liegen ſchien: Das leiſeſte Raſcheln veruxſahhte bei ihm ein Drehen und Wenden nach der verdächtigen Gegend, und die geſchloſſenen Augen öffneten ſi augenbli>li<, wenn das Geräuſch ſtärker