Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

5924 Vierte Ordnung: Raubtiere; erſte Familie: Kayen.

wurde. Am tiefſten ſcheint er in den Früh- und Mittagsſtunden zu ſ{<lafen; nahmittags re>t er ſih gern, wenn ihm dies möglich iſt, im Strahle der Sonne, legt ſich dabei auh, falls er es haben fann, ſtundenlang auf den Rücken wie ein fauler Hund.

Bei eintretender Dämmerung wird er munter und lebendig. Während des Tages ſchien er zur Vildſäule erſtarrt zu ſein, mit Einbruch des Abends bekommt er Leben und Bewegung, erſt in der Naht aber macht er ſi< zur Jagd auf, bleibt jedoch häufig ſtehen, um zu ſichern, wie eine Kaße, wenn ſie über einen freien Plaß will, welcher ihr unſicher erſcheint. Soviel wie möglih hält er dabei ſeinen Wechſel ein. Jm Winter ſcheint er dies regelmäßig und zwar in der Weiſe zu thun, daß er ſtets auf das genaueſte in ſeine Spur wieder eintritt, Ein Verwechſeln ſeiner Fährte mit der eines anderen Tieres kann wohl nur dem Unkundigſten geſchehen; denn die Spur iſt ſehr groß, im Einklange mit den unverhältnismäßig ſtarken Pranken größer als die eines ſtarken Wolfes, auffallend rund und, weil der Abdru> der Nägel fehlt, vorn ſtumpf, der Schritt verhältnismäßig kurz. So bildet die Spur eine Perlenſhnur, welche jeder, der ſie nux einmal geſehen, leiht wiedererkennen muß. Beim Wechſeln nun tritt der Luchs auf dem Hin- und Nü>wege in die Spur ein, ja es thun dies in der Regel mehrere, welche gemeinſchaftlih zur Jagd ausgehen. Frauenfeld, welcher einmal vier Luchſe ſpürte, ſagt hierüber folgendes: „Bei der erſten Entde>ung der Spur dieſer Tiere waren nur zwei Fährten ſichtbar, ſo daß wir anfangs auch bloß zwei Luchſe beiſammen vermuteten, ja ſpäter zeigte ſih gar nur eine einzige Spur, in der ſie alle vier einer in des anderen Fußſtapfen traten. Auf einer Wieſe im Walde, wo ſie nah Raub ausgeſpäht zu haben ſchienen, ehe ſie auf dieſelbe heraustraten, zeigte ſich die Spur von dreien, und erſt auf einer lichten Stelle im Walde, wo ſie ein Reh überraſchten, fanden wir, natürlih mit immer größerem Erſtaunen, daß ihrer vier beiſammen waren; denn erſt dort hatten ſie ſih alle getrennt, und der eine, unzweifelhaft der vorderſte, hatte dieſes Reh in zwei gewaltigen Sprüngen erreiht. Unmittelbar nah dem übrigens verunglücten Jagdverſuche waren die Luchſe mit ſ{<hwa< geſhränkten Schritten wieder ruhig und nach einer kurzen Stre>e abermals in einer einzigen Spur fortgezogen“. Bei weiterem Abſpüren am nächſten Tage fand Frauenfeld, daß die vier Lulſe niht nur ganz denſelben Weg, ſondern au, wenige ſchwierige Stellen abgerechnet, in der nämlichen Fährte zurü>gekehrt waren, welche ſie auf dem Herwege gebildet hatten, „ſo daß, nachdem ſie alle vier hin und zurüd, alſo a<tmal, die Stelle berührt hatten, doh auf lange Stre>en nur eine einzige Spur ſichtbar war.“

Die eigentümliche Geſtalt des Luchſes läßt jede ſeiner Bewegungen auffallend, im gewiſſen Sinne ſogar plump erſcheinen. Man iſt gewöhnt, in der Kage ein niedrig gebautes, langgeſ<hwänztes Säugetier zu ſehen und Bewegungen wahrzunehmen, welche den kurzen Läufen entſprechen, d. h. welche gleihmäßig, niht ungeſtüm, weih und deshalb wenig bemerkli< ſind. Beim Luchſe iſt dies anders. Er tritt ſcheinbar derb auf und ſchreitet im Vergleiche zu anderen Kaßen merklih weit aus. Fehlt ihm nun aber auch die Anmut ſeiner Verwandten, ſo ſteht er dieſen an Gewandtheit durchaus niht nach, klettert ſehr geſchict und übertrifft ſie, obgleich er keineswegs zu den ausgezeihnetſten Läufern zählt, doch in der Schnelligkeit und Ausdauer ſeiner Bewegungen. Was er leiſten kann, ſieht man bei friſ< gefallenem Schnee am deutlichſten, da, wo er auf eine Beute geſprungen iſt.

In dem ziemli<h ausführlihen Fagdberichte, welcher gelegentlich der Erlegung des leßten Harzer Luchſes veröffentlicht wurde, heißt es: „Am merkwürdigſten erſchien der in der Nacht auf den 17. März erfolgte Fang eines Haſen, welcher dur die hintere Spur vollkommen deutlih wurde. Der Haſe hatte am Rande einer jungen Tannendichtung, welche an eine große Blöße ſtieß, geſeſſen. Der Luchs war in dem Dickichte, wahrſcheinlih unter Wind, an ihn herangeſhlihen; der Haſe aber mußte ſolches no< zu früh bemerkt haben und war