Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

530 Vierte Drdnung: Raubtiere; erſte Familie: Katzen.

erhielt der arme Luchs auf dem ſhneeüberfüllten löherreihen Wege einige dur< Rütteln verurſachte, ſcheinbar unbedeutende Stöße, infolge deren er noh vor Erreichung des Reiſezieles mit Tode abging.“

Nicht allein des großen Schadens halber, wel<hen der Lu<hs in wohlgepflegten Wildgehegen oder auf herdenreichen Alpen anrichtet, ſondern au<h um des Vergnügens willen, welches ſol<hes Weidwerk jedem zünftigen Jäger bereitet, wird der Luchs allerorten, wo er vorkommt, eifrigſt gejagt, insbeſondere im Norden, wo allwinterlih regelmäßig Luchsjagden angeſtellt werden. Man erbeutet das Raubtier auf viererlei Weiſe: dur< geſtellte gut geköderte Eiſen, vermittelſt der Reize, auf Treibjagden und mit Hilfe der Koppelhunde. Mit dem Stellen von Eiſen iſ es ein mißliches Ding; denn der Luchs ſtreift, ſo ſicher er auh einen paſſenden Wechſel einhält, im ganzen doh zu weit umher, als daß man auf ſicheren Erfolg rehnen könnte, vermeidet auch oft Fallen ſehr vorſichtig, nimmt ſogar den Köder vom Eiſen weg, ohne ſih zu fangen, bis er es endlich doh einmal verſieht. Gefangen verfällt er in beiſpielloſe Wut, ja in förmliche Raſerei. „Diejenigen“, ſagt Kobell, „welche lebende Luchſe im Schlageiſen getroffen haben, ſind oft Zeuge ihrer Wildheit geweſen, beſonders wenn das Eiſen nur eine Vorderpranke gefaßt hatte. Meiſt hatte er ſi< die Krallen an einer freien Pranke von der gewaltigen Anſtrengung, ſi zu befreien, ausgeriſſen und die Fänge gebrochen. Und dennoch hat der Jäger Maier vom Oberwinkel einige gefangene Luchſe lebend aus dem Ciſen gelöſt und geknebelt im Ru>ſa>e nah Tegernſee getragen. Er führte es in der Art aus, daß er eine gefällte junge Tannenſtange über dem Luchſe unter die Baumwurzel ſte>te, welche das Eiſen hielt, den Luchs dann damit auf den Boden niederdrücfte und, indem er ſih auf die Stange legte, gegen ihn hinrutſchte. Dann fing er die Pranken mit ſtarken Schlingen und ſte>te ihm einen Knebel in den Rachen. Ein ſo gebändigter Luchs wurde einmal bis München getragen, wo ihn König Maximilian I. beſah.“ Sicherer dürfte die Neize zum Ziele führen, obgleich ſie im Norden, laut Nol>en, niemals angewendet wird. Daß aber der Luchs auf den nahgeahmten Ruf eines Rehes, Haſen oder Kaninchens herbeikommt und einem gut verborgenen Jäger zur Beute werden kann, unterliegt na< dem, was von ſeinem Verwandten, dem Pardelluchſe, uns bekannt geworden, keinem Zweifel, wird auh dur< Kobell unmittelbar beſtätigt; denn dem noh Ausgang der fünfziger Jahre lebenden Jäger Agerer kam im Jahre 1820 auf den Rehruf eine Lu<hſin mit drei Jungen zum Schuß.

Über Treibjagden berichtet neuerdings Nol>en in ebenſo eingehender wie ſahgemäßer Weiſe. „Jn den meiſten Fällen“, ſagt ex, „iſt es leiht, den Luchs zu kreiſen; doc hat dies au< man<hmal ſeine Schwierigkeiten. Beim Treiben ſelbſt hat man ganz anders zu verfahren als beim Fuchstreiben. Nur wenige Tiere laſſen ſi ſelbſt dur eine geringe Treibwehr leichter treiben als der Fuchs, kein einziges aber ſ<hwerer als der Luchs. Dies begründet ſih auf das durchaus verſchiedene Weſen beider Tiere. Der Luchs iſt ein ſ{heues und vorſichtiges Raubtier, beſißt aber in hohem Grade jene Ruhe und jene beſonnene Geiſtesgegenwart, welche allen Kazenarten eigen zu ſein ſcheint. Er meidet den Menſchen, fürchtet jedo<h keinen Lärm. Daher kommt es, daß er ſein Lager häufig hart an einem vielbefahrenen Wege aufſhlägt. Man kann daher, wenn man nur vermeidet in die Di>ung einzudringen, alle lihten Teile getroſt abſ<hneiden, denn man macht ihn durch ſolche Kleinigfeiten gewiß niht rege. Aber man muß über eine große Menge Treiber verfügen , ſonſt nimmt das Verſte>enſpielen kein Ende, und wen man niht zu Geſicht bekommt, iſt der Luchs. Die Schüßen müſſen beſonders aufmerkſam ſein, wenn die Treibwehr [hon beinahe dur< iſt; denn kommt der Luchs, ſo erſcheint er meiſt ſo ſpät als möglich. Er kommt im Dickichte faſt immer im Schritte, kaßenartig geſhlihen, gewöhnli<h unhörbar und ſchlägt ſehr leicht und blißſhnell um.“