Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Luchs: Fang- und Jagdweiſen. Wehrhaftigkeit. : BBL

Die Jagd mit dem Koppelhunde iſt anziehender und ſicherer als die Treibjagd. Der dazu notwendige Hund muß ein guter, möglichſt ſtarker und raſcher Haſenhund ſein; beſißt er noh dazu die Eigenſchaft, dazwiſchen ſtill zu jagen, ſo erfüllt er alle zur Luchsjagd nötigen Bedingungen. Hauptſache iſt jedo<h die Schnelligkeit; denn mit einem langſamen Shnüſffler iſt nicht viel zu machen. Der Luchs verſteht ſih auf Haken, Widergänge und Abſprünge, läuft auf den Stämmen halb umgeſtürzter Bäume dahin, die ganze Länge des Baumes durhmeſſend und ſ{ließli<h mit gewaltigem Saße ſeitwärts in die Büſche ſih ſ{hlagend, und wendet noh unzählige andere Kunſtſtü>kchen an, um den Hund zu täuſchen. Einem langſamen Rüden gegenüber gelingt ihm dies in den meiſten Fällen, auh wenn ex ſelbſt nicht eben raſh ausſcreitet. Leßteres thut er überhaupt nux, wenn ihm ein raſcher Hund auf den Ferſen iſt und ihn ſehr beſchäftigt; denn vor einem langſamen beeilt er ſih durchaus niht: iſt er ſih doh ſeiner überlegenen Kraft und ſeiner furhtbaren Waffen wohl bewußt und vermeidet den Hund eigentlich nur des lieben Friedens willen. Bloß vor einem raſchen Hunde entſchließt ex ſi< in der Regel, die Di>ungen zu verlaſſen. Hört man den Hund Standlaut geben, ſo beeilt man ſich, birſht ſih aber vorſichtig an ihn an, um ihn nicht zu verſcheuchen, falls er ſi<h auf den Boden geſtellt haben ſollte. Hat er gebäumt, ſo fängt man vor allen den Hund ein und ſchießt erſt dann, um den Hund zu verhindern, den vielleicht noh niht ganz toten Feind anzupa>en und ſih größerer Gefahr auszuſeßen.“ Wie einer der Bedienſteten des genannten trefflichen Jägers beobachtete, wirft ſich der Luchs bei Verteidigung gegen die Hunde auf den Rü>ken und gebraucht dann alle vier Pranken mit ſtaunenswerter Sicherheit und oft verhängnisvollem Erfolge.

Wie wenig der Luchs aus dem Fagdlärm ſih macht, geht aus einem Geſchehnis hervor, deſſen Wahrheit Nol>en verbürgt. „Der Höllenlärm der Treiber war bereits ganz nahe zu hören, als ein Luchs erſchien. Noch war er etwas zu weit entfernt von den Schügen, um eine Ladung zu erhalten, als ein weißer Haſe, gleichfalls dur< die Treiber gehoben, ſ<hräg zwiſchen ihm und den Schüßen hindurhrutſhte. Unbeirrt durch all den Lärm konnte der Luchs ſih niht enthalten, auf denſelben zu fahnden und that ſeine gewohnten 3—<4 Säge. Er bekam den Haſen zwar niht, wohl aber eine wohlgezielte Poſtenladung, wie er es auch verdiente.“

Jn der Regel vermeidet der Luchs es ängſtlich, ſih näher mit dem Menſchen einzulaſſen; verwundet oder in die Enge getrieben greift er ihn aber tapfer oder verzweiflungsvoll an und wird dann zu einem keineswegs zu verahtenden Gegner. „Es war in den lezten Tagen des Februar“, ſchildert der Schwede Aberg, „als ih eine Luchsſpur fand. Da die Gegend ſtark von Wölfen beſucht wurde, ſo hatte ih dem Hunde das Stachelkleid angelegt. Nach einer Jagd von 2—s Stunden wurde der Luchs endlih müde und ſtellte ſich unweit einer Birke, wo der Hund Standlaut gab, bis ih hinzukommen und ſchießen konnte. Wohl mochte indes die Entfernung zu groß ſein; denn. der Schuß hatte nicht gleih die entſcheidende Wirkung, und mit dem anderen Laufe zu ſchießen war unmöglich, indem der Luchs ſih mit einem Sagte auf den Hund warf. Nun entſtand ein heftiger Kampf, welchen ih dur< meine Dazwiſchenkunſt abzubrechen ſuchte. Dies gelang auch inſofern, als der Luchs zwar den Hund losließ, dafür aber mit ſeinen Klauen auf der Stelle in eine meiner Lenden ſih vergriſf. Da ich die Klauen ſehr ſcharf und unbehaglich fand, machte ih einen träftigen Verſu<h, mih dem Luchſe zu entreißen, was aber nicht beſſer gelang, als daß ih mit dem Geſichte in den Schnee fiel. Dabei bekam ih das Tier, welches ſeinen Fang nicht fahren laſſen wollte, auf mih; der Hund aber, welcher ſi frei und ledig fand, befreite mich von dem ungebetenen Gaſte und ſeßte den Kampf ſo lange fort, bis der Luchs endlich die Segel ſtreichen mußte. Der Hund iſt übel zugerichtet, und hätte ihm niht das Stachelleid Leib und Hals geſ<hügt, ſo würde er den Kampf gewiß niht überlebt haben.“

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