Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Pardellu<s: Vorkommen. Weſen. Erlegung. 535

noch einzeln vor. Sein Gebiet erſtre>t ſi bis vor die Thore Madrids und anderer Städte. Jn der Nähe der Hauptſtadt hat er ſih in dem königlichen Luſtgarten Pardo, einem wohlgepflegten Wildgehege, angeſiedelt und dehnt ſeine Raubzüge gar nicht ſelten bis in die unmittelbarſte Nachbarſchaft der Stadt aus. Jm Escorial beſucht er die Gärten des Kloſters, obwohl er der hohen Mauer wegen ſi< nur durch die Waſſerabzüge einſtehlen kann und deshalb in hier geſtellten Tellereiſen dann und wann gefangen wird.

„Wenngleich der Pardelluchs im allgemeinen einzeln lebt, ſo findet man doch zuweilen auf einem kleinen Gebiete mehrere zuſammen und zwar, was Beachtung verdient, unter Umſtänden ein Paar ältere mit ſeinen Jungen, woraus alfo hervorgehen würde, daß der Vater ſi< auh außer der Paarzeit mindeſtens dann und wann zu ſeiner Familie hält. Bei einer Jagd, welche von uns im Herbſte des Jahres 1871 angeſtellt wurde, erlegten wir fünf Luchſe, die beiden Alten und drei Junge.

„Zn ſeinem Auftreten ſcheint der Pardelluchs ein treues Spiegelbild ſeines nordiſchen Verwandten zu ſein. Wie dieſer, weiß er ſih ausgezeihnet zu verbergen und bei der geringſten Gefahr ſo ſorgfältig gede>t fortzuſtehlen, daß ein ungeübter Beobachter oder Jäger ihn ſelten oder nicht zu ſehen bekommt. Die günſtigen Umſtände, unter denen er lebt, geſtatten es ihm, auch in nächſter Nähe des Menſchen ſein Weſen zu treiben, ohne dieſe unmittel: bar zur Rache aufzufordern. Seine hauptſählihſte Nahrung beſteht nämlich in wilden Kaninchen, an denen Spanien bekanntlich reicher iſt als irgend ein anderes Land Europas, und nur. höchſt ſelten geſtattet er ſih Angriffe auf Haustiere der verſchiedenſten Art, ſowie man auh niht darüber klagen hört, daß er dem größeren Wilde merklichen Schaden thäte. Solange er Kaninchen hat, findet er es am bequemſten, dieſen nahzugehen und um andere Beute ſih nicht zu kümmern. Hat er ein Gebiet ausgeraubt, ſo begibt er ſih in ein anderes, wie daraus hervorgeht, daß er regelmäßig da ſih einzuſtellen pflegt, wo man Kaninthen hegt, und auch bald dort einfindet, wo man dieſe Tiere ausſeßt, um ein Revier mit ihnen zu bevölkern.

„Anfangs März wirſt die Pardelluchſin 3—4 Funge, gewöhnlih in einer {wer zugänglichen, tiefen Felsſpalte. Wird dieſes Lager von einem Menſchen entde>t oder auch nux die Nähe desſelben beunruhigt, ſo trägt die Mutter die Jungen nah einem anderen verborgenen Orte. Jäger, welche junge Luchſe aufgefunden, aber aus Furcht, mit der Alten in Berührung zu kommen, ſih niht getraut hatten, ſie ſogleih mitzunehmen, und ſpäter in Gemeinſchaft anderer Shüßen nah dem Plaße zurückkehrten, fanden, wie ſie mir ſelbſt erzählten, das Neſt leer. Die ſelbſtändig und raubfähig gewordenen Fungen bleiben jedenfalls bis zum nächſten Herbſte in Gemeinſchaft der Mutter und trennen ſih von ihr wahrſcheinlih erſt bei der nächſten Ranzzeit.

„Die meiſten Pardelluchſe werden auf Treibjagden geſchoſſen, einzelne auch gelegentlich der Jagd auf Kaninchen, andere, und zwar meiſt mit ſehr gutem Erfolge, indem man ſie reizt. Bei Treibjagden hat der Jäger dem erwarteten Raubtiere ſeine vollſte Aufmerkſamfeit zu widmen. Der Luchs erſcheint bald, nachdem das Treiben angegangen iſt, vor der Schüzenlinie, weiß ſi<h aber auch hier no< aus8gezeihnet zu verbergen und ſozuſagen unter den Augen der Schüßen durhzuſtehlen. Freie Pläße und breite Wege vermeidet er ſtets, verſucht vielmehr lieber diht neben dem Fäger vorüberzuſchleichen, als ſi< au< nur auf Augenbli>e frei zu zeigen. Sein ausgezeihnetes Gehör unterrichtet ihn jederzeit genau über den Stand des Treibens, weshalb auh ein Schüße, welcher ſi< niht vollkommen laut- und bewegunagslos verhält, vergeblih auf ihn wartet. Noch unterhaltender als dieſe Jagd iſt es, den Pardellu<s zu reizen. Dies geſchieht mittels einer Pfeife, welche den Schrei des Kaninchens täuſchend nahahmt. Der Jäger begibt ſih in ein Kaninchengehege, in welhem er den Luchs vermutet, wählt ſih hier eine felſige oder dicht mit Büſchen beſtandene Stelle