Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

540 Vierte Ordnung: Raubtiere; erſte Familie: Katen.

werden Fehljagden verzeihnet. Zwei von den Wagen gelöſte Tſchitas riſſen allerdings je eine Antilope nieder, aber ein dritter, der auf 60 Schritt an eine Herde herangebracht war, gab die Hebe auf, nachdem er einen Bo> an 500 Schritt weit vergeblich verfolgt hatte. Den Verlauf einer ſpäteren Staatsjagd ſchildert Ruſſell, ein Begleiter des Prinzen, kurz wie folgt: „Ein Tſchita, auf eine Antilope losgelaſſen, jagte ſtatt dieſer einem Hunde nach. Der Hund wandte ſih, und der Tſchita flüchtete. Ein Luchs (wahrſcheinlich ein Karakal, S. 517) wurde auf einen Fuchs geheßt; Reineke aber zeigte ſich kampfluſtig und wehrhaft; da einigten ſi< Luchs und Fuchs und trennten ſi< in Güte. Nicht einmal den aufgeſtoßenen Haſen wollten die Luchſe regelrecht folgen; die Falken dagegen ſ{<lugen fkunſtgerecht jeden Lampe, auf den ſie gelöſt wurden.“

Sehr auffallend muß es erſcheinen, daß man von dem Freileben dieſer ſo oft gezähmten Kate no< überaus wenig weiß; auh über ihre Fortpflanzung iſt gar nichts bekannt. F< habe mi< in Afrika ſogar bei den Nomaden vergebens hiernach erkundigt; dieſe Leute, welche das Tier ganz genau kennen, konnten mir eben bloß ſagen, daß man es in Schlingen fängt und tros ſeiner urſprünglichen Wildheit binnen kurzer Zeit zähmt. Nur Sterndale berichtet etwas mehr aus FJndien. Nach ihm ſind die Jungen, mit Ausnahme eines ſ{<hwarzen Striches auf der Naſe, durchaus einfach grau gefärbt, doch iſt die künftige Tüpfelung nah Entfernung des Oberhaares ſhon deutlih wahrzunehmen. Ferner ſagt er, und alle Gewährsmänner ſtimmen mit ihm überein, daß man niemals Junge zu Jagdtieren aufziehe, ſondern bloß erwachſene Tſchitas dazu einfange, da ſie na<h Anſicht der Jnder nuc in voller Freiheit und unter Anleitung der Alten ſi zu guten Jägern auszubilden vermögen. Jerdons Exfahrungen ſprechen jedenfalls niht dagegen. Er hatte ſeinen von Jugend an aufgezogenen ſehr zahmen Tſchita (der bald auf eigene Fauſt Schafe und Eſel angriff, nicht ohne oftmals ſ{<le<t dabei zu fahren) mit Glü> auf zu dieſem Zwe>e herbeigeſchaffte Antilopen angelernt. Der Tſchita hebte ſie zwar, holte auh das flüchtige Wild ein, nahm aber die Jagd nicht ernſthaft, warf das verfolgte Stü nicht immer nieder und hielt es namentli<h nicht feſt. Vielleicht hätte ihm das noch beigebracht werden können, aber ſein Herr mußte, weil der Dienſt ihn rief, die Erziehung aufgeben.

Nach Angabe der Eingeborenen ſättigt ſih der Tſchita bloß jeden dritten Tag, aber im Übermaße, und verkriecht ſi< dann in ſeinem Verſte>e, um zu ſchlafen und zu verdauen. Am dritten Tage begibt er ſih zu einem beſtimmten Baume, wohin auch andere ſeiner Art kommen jollen, um dort zu ſpielen, die Borke zu zerkraßen und ſeine Klauen zu ſchärfen. Etwas Wahres muß ſchon an dieſer Erzählung ſein, denn an ſolchen wohlbekannten Bäumen wird ex auch gefangen und zwar in einer Weiſe, die Sterndale nach einem Augenzeugen ſchildert. Der engliſche Jäger begleitete Eingeborene zu dem beſtimmten Baume. Dort wurden im Umkreiſe von einem Dußend Schritt eine Menge Schlingen, wie man ſie ſonſt zum Fangen von Antilopen benußt, mittels Pflö>en am Boden hergerichtet. Dann verſte>ten ſih die Jäger hinter einem 80 Schritt entfernten, aus Zweigen gebildeten Schirm und hielten ſ{harfen Auslug. Als die Sonne zu ſinken begann, erſchienen wirkli, in etwa 500 Schritt Entfernung ſih jagend und miteinander ſpielend, vier Tſchita3: zwei ſtarte und zwei ſhwächere, wahrſcheinlih eine Familie. Bald jagten ſie auf den Baum los, die beiden ſtarken weit voran, und dieſe hingen au< im Nu mit den Läufen in den Schlingen. Die Eingeborenen liefen hinzu, warfen den Gefangenen De>en über die Köpfe, banden ihnen die Läufe zuſammen und ſtülpten ihnen dann die Lederhauben über, wobei freili<h ein Ungeſchi>ter tüchtig in die Hand gebiſſen wurde. Das Weibchen erwies ſi viel ungebärdiger als das Männchen. Die Gefangenen wurden auf den herangekommenen Ochſenkarren nah dem Dorfe gefahren. Dort begann ihre Erziehung damit, daß Frauen und Kinder Tag für Tag ſhwaßend und lachend in ihrer Nähe ſih aufhielten, um ſie zunächſt an Menſchenſtimmen