Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

J<hneumon: Verbreitung. Lebensweiſe. Raubluſt. 569

Niemals wagt er \ſih aufs freie Feld, ſondern {leiht immer möglichſt gede> und mit der größten Vorſicht dahin, ſtreift jedoch ziemlih weit umher. Er geht bei Tage auf Naub aus und frißt alles, was er erliſten kann, die Säugetiere vom Haſen, die Vögel vom Huhn oder der Gans abwärts. Außerdem verzehrt er Schlangen, Eidechſen, Kerbtiere, Würmer 2c. und wahrſcheinlih auh Früchte. Seine Diebereien haben ihm den größten Haß und die vollſte Verachtung der ägyptiſchen Bauern zugezogen, weil er deren Hühner- und Taubenſtälle in der unbarmherzigſten Weiſe plündert und namentlich den Hühnerneſtern, welche dort von den Hühnern ganz nach freier Vögel Art angelegt werden, ſehr gefährlih wird. Wirklichen Nugzen bringt er jeßt ſo gut wie gar niht; man müßte ihm denn die Vertilgung der Schlangen beſonders hoh anrechnen.

Sein Gang iſt höchſt eigentümlih. Es ſieht aus, als ob das Tier auf der Erde dahinkröôhe, ohne ein Glied zu bewegen; denn die furzen Beine werden von den langen Haaren ſeines Balges vollkommen bede>t, und ihre Bewegung iſt kaum ſihtbar. Fn den Sommermonaten gewahrt man ihn ſelten allein, ſondern ſtets in Geſellſchaft ſeiner Familie. Das Männchen geht voran, das Weibchen folgt, und hinter der Mutter kommen die Jungen. Jmmer läuft ein Mitglied dicht hinter dem anderen, und ſo ſieht es aus, als ob die ganze Kette von Tieren nur ein einziges Weſen ſei, einer merkwürdig langen Schlange etwa vergleichbar. Bisweilen bleibt der Vater ſtehen, hebt den Kopf und ſichert, bewegt dabei die Naſenlöcher na allen Seiten hin und ſhnauft wie ein keuchendes Tier. Hat er ſih vergewiſſert, daß er nihts zu fürchten hat, ſo geht es weiter; hat er eine Beute erſpäht, ſo windet er ſih wie eine Schlange geräuſchlos zwiſchen den Halmen hindur<h, um an jene heranzukommen, und plöglih ſieht man ihn ein oder zwei Säße machen, ſelbſt noh nah einem bereits aufgeflogenen Vogel. Vor einem Mauſeloche lauert er regungslos und ſ<leiht einer Natte, einem jungen Vogel mit beluſtigender Bedachtſamkeit nach.

Wahrſcheinlich ſpürt er ebenſo vortreffli<h wie der beſte Hund; ſo viel iſt ſicher, daß ihn hauptſä<hlih der Geruch bei ſeinen Fagden leitet. Trifft er auf Eier, ſo trinkt er ſie aus; von Säugetieren und Vögeln ſaugt er in der Regel nur das Blut und frißt das Gehirn auf. Er mordet weit mehr, als er bewältigen kann.

Seine Stimme hört man bloß dann, wenn er mit einer Kugel angeſchoſſen worden iſt, ſonſt ſchweigt er, ſelbſt bei der ſhmerzhafteſten Verwundung. Doch behaupten die Ägypter, daß er au< zur Paarungszeit ſein ziemlih ſcharfes, eintöniges Pfeifen vernehmen laſſe. Man hat, wie von ihm überhaupt, vieles von ſeinen Feindſchaften mit anderen Tieren gefabelt und namentli<h hervorgehoben, daß er in dem ihn beeinträhtigenden Fuchſe, dem Schakale und in der Waraneidechſe gefährliche Feinde habe. F< kann verſichern, daß ih niemals etwas hierauf Bezügliches geſehen no< gehört habe. Der Menſch iſt ſein ſ{limmſter Feind. Außer ihm kann ihm nur der Nil ſelbſt ſhaden, wenn er ihm ſeine Lieblingspläße unter Waſſer ſet: doh ſ{<wimmt er vortrefflih, wenn es ſein muß, und rettet ſich noch beizeiten auf jene hohen Dämme, welche von einem Dorfe zum anderen führen oder die Waſſerſtraßen einfaſſen und wegen ihrer dihten Rohrbeſtände ihm gute Aufenthaltsorte bieten. -

Die Jagd des Jchneumons gilt in den Augen aller Ägypter als ein höchſt gottſeliges Werk. Man braucht nur in ein Dorf zu gehen und dort zu verkünden, daß man den Nims, ſo heißt unſer Tier bei den Arabern, jagen wolle: dann iſt gewiß jung und alt mit Freuden behilflih, den ſ<hlimmen Schurken und Spißzbuben vernichten zu helfen. Man zieht nah einem langen Rohrſtreifen hinaus, ſtellt fi< dort auf und läßt die Leute langſam treiben. Das Tier merkt ſehr wohl, um was es ſih handelt, und ſucht, ſowie der Lärm der Treiber beginnt, in einem ſeiner Fluchtlöher Schuß; doch hilft ihm dieſes nur ſehr wenig, denn die Araber treiben ihn mit ihren langen Stö>en auch aus den Notbauen heraus, und ſo ſieht