Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

590 Vierte Dronung: Raubtiere; dritte Familie: Marder.

Flucht angetrieben. Solche Junge kann man ziemlich leiht auffüttern und anfangs mit Mil< und Semmel, ſpäter mit Fleiſch, Eiern, Honig und Früchten lange erhalten. „Um 29, Januar“, erzählt Lenz, „erhielt ih einen jungen Edelmardex, welcher an demſelben Tage aus der Höhlung eines Baumes geholt worden war. Das Tierchen hatte erſt die Größe einer Wanderratte; ſeine Bewegungen waren noch langſam. Er ſuchte ſi< immer in Löcher zu verkriehen und {harrte auh, um Löcher zu bilden. Anfangs war ex beißig, wurde jedo<h ſchon am erſten Tage ganz zahm. Laue Milch ſoff er bald und fraß au<h {hon wenige Stunden, nachdem er zu mir gebraht worden war, in Milch eingeweihte Semmel.

Obgleich noh ſehr jung, war er doh ſo reinlih, daß er eine Ede ſeines Behälters zum

Abtritte erkor, eine Tugend, welche man nur wenigen anderen Tieren nahrühmen fann. An dieſem Tierchen konnte ih ret ſehen, wie ſich der Geſhma> naturgemäß entwielt. Anfangs (im Juni oder Juli) bekommt der junge Edelmarder von ſeinen Eltern gewiſſe Speiſen, faſt nur Vögel, ſpäter muß er ſi<h au<h an Mäuſe, Obſt 2c. gewöhnen, wie es die Fahreszeit bietet.

„Am zweiten Tage bot ih ihm einen Froſch an: er beachtete ihn gar niht; gleich darauf gab ih ihm einen lebenden Sperling: und er ſ{hnappte ihn ſofort lebend weg und verzehrte ihn mit allen ſeinen Federn. Ebenſo machte ex es bald mit einem zweiten und dritten. Am vierten Tage ließ i<h ihn hungern und bot ihm dann einen Froſch, eine Cidechſe und eine Blindſchleiche an. Ex beachtete alles niht und wollte auch einen jungen Naben nicht freſſen. Am ſechſten Tage kro<h er nachts aus ſeinem Behälter, biß einen im Neſte ſißenden Turmfalken tot und fraß den Kopf, Hals und einen Teil der Bruſt. J< bot ihm nah und nah manchexlei an und fand, daß er kleine Vögel allem vorzog. Fiſchfleiſh fraß er niht, Kaninchen, Hamſter, Mäuſe ret gern, aber doh nicht ſo begierig wie Vögel, wogegen Jltis und Fuchs Säugetiere lieber freſſen als leßtere. Kirſchen und Erdbeeren fraß ex, Stachel- und Heidelbeeren niht gern, Ameiſenpuppen ſehr gern; doh verdaute er ſie niht gehörig. Junge Katen tötete und fraß er; Eidotter ſ<hme>ten ihm gut, aber no< niht ſo gut wie kleine Vögel; auch: Gedärme und Fleiſh von größeren Vögeln beachtete er niht ſo ſehr wie von kleinen. Schon als ganz junges Tier hatte er den Grundſaß, kein ihm zur Nahrung dienendes Weſen entwiſchen zu laſſen. War er ſatt, ſo ſpielte er doh no<h mit neuhinzukommenden Vögeln 2c. ſtundenlang. Vorzüglich ſpielte er mit fleinen Hamſtern. Ex hüpfte und ſprang unaufhörlich um das boshaft fauchende Hamſter<en herum und gab ihm bald mit der rechten, bald mit der linken Pfote eine Ohrfeige. War ex aber hungrig, ſo zögerte er niht lange, biß dem Hamſterchen den Kopf entzwei und fraß es mit Knochen, Haut und Haaren.

„Als er drei Viertel ſeines Wachstums erreicht hatte und außerordentlich gefräßig war, gab i< ihm wiederum eine Blindſchleiche. Er war gerade hungrig, näherte ſih aber doh behutſam und ſprang bei jeder ihrer Bewegungen wieder zurü>. Als er ſi endli<h überzeugt hatte, daß ſie niht gefährlich ſei, biß er endlich zu; ihr Shwanz brach ab: er fraß ihn auf und trug dann das Tier in ſein Neſt, wo es ihm entſhlüpfte und unter das Heu kro<h. Er zog es wieder vor, biß ſi< no< ein Stü des übergebliebenen Shwanzſtummels ab, aber erſt na< 2 Stunden wagte er es, die Blindſchleiche am Halſe zu pa>en und zu zerreißen. Er trug ſie dann ins Neſt und fraß ſie na< und nah mit Wohlbehagen, jedo< ohne Begierde. Noch wax er mit der Blindſchleiche nicht fertig, als ih ihm eine ewa 60 em lange Ringelnatter in ſeine Kiſte warf. Sobald ſie da lag, näherte er ſih behutſam, ſprang aber, ſo oft ſie ſih rührte oder ziſchte, erſhro>en zurü>. Die Schlange hatte endlich in einen Knäuel ſi< zuſammengeballt und den Kopf unter ihren Windungen verſte>t. Wohl eine Stunde lang war ex ſchon um ſie herumgeſprungen, ohne ſie anzutaſten; dann erſt begann er, überzeugt, daß keine Gefahr zu fürchten ſei, ſie zu beſ<hnuppern und mit den

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