Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

604 Vierte Ordnung: Raubtiere; dritte Familie: Marder.

Der Zltis bewohnt die ganze gemäßigte Zone von Europa und Aſien, geht ſogar ein Stück in den nördlichen Gürtel hinüber. Mit Ausnahme von Lappland und Nordrußland iſt er überall in unſerem Erdteile zu finden. Fn Aſien trifft man ihn durch die Tatarei bis an den Kaſpiſchen See und na< Oſten hin durch ganz Sibirien bis nah Kamtſchatka. Jhm iſt jeder nahrungverſprehende Ort recht, und deshalb bewohnt er ebenſo die Ebenen wie die Gebirge, die Wälder wie die Felder, vor allem aber die Nähe menſchli<her Wohnungen, zumal größerer Bauerngüter. Fm Freien ſchlägt er ſein Lager in hohlen Bäumen, im Geklüft, in alten Fuchsbauen und anderen Erdlöchern auf, welche er zufällig findet; im Notfalle gräbt er ſich ſelbſt einen Bau. Auf den Feldern bezieht er das hohe Getreide; außerdem hauſt er in der Nähe von Felſen, zwiſchen Pfahlwerk, unter Brücen, in altem Gemäuer, dem Gewurzel größerer Bäume, dichten He>en: kurz, er weiß es ſi überall wohnlih zu machen, wo es irgend angeht, ſcheut ſi jedo< vor eigener Arbeit und läßt lieber andere Tiere für ſih graben und wühlen. Fm Winter zieht er ſich bei uns nah Dörfern oder Städten zurü> und kommt hier der Hauskaße oder dem Hausmarder in das Gehege, dabei aber auch gelegentli< in Hühnerhäuſer, Taubenſchläge, Kaninchenſtälle und an andere Orte, wo er dann niht eben zur Freude des Menſchen eine Thätigkeit entwickelt, welche bloß von ſeinen Familienverwandten erreicht, kaum aber übertroffen werden kann. Auf der anderen Seite iſt er aber auh nügli<h, und wenn die Bauern ſonſt Hühner, Tauben und Kaninchen gut verwahren, können ſie mit ihrem Gaſte ganz zufrieden ſein; denn dieſer fängt ihnen eine unſhäßbare Menge von Ratten und Mäuſen weg, ſäubert auch die Nähe der Wohnungen von Schlangen gründlich und verlangt dafür weiter nichts als ein warmes Lager im dunkelſten Winkel des Heubodens. Es gibt Gegenden, wo man ihn ebenſo gern ſieht, als man ihn an anderen Orten haßt. Er genießt dort eines gewiſſen Schutzes von ſeiten der Landwirte und ſteht ſo hoch in der Achtung, daß er auc dann noch für unſchuldig erklärt wird, wenn einmal der Hühnerſtall oder Taubenſchlag von dem nächtlichen Beſuche eines gefährlihen Räubers Blutſpuren aufweiſt; denn der Landmann glaubt, daß ſein gehegter und gepflegter Raß unmöglich ſo grenzenlos undankbar ſein könne, ihm den gewährten Schuß mit einem Raubanfalle auf das nüßliche Geflügel zu vergelten, und vermutet in dem Mörder ſeiner Hühner einen anderen Fltis oder einen Hausmarder, welcher aus irgend einem Nachbarhauſe herübergeſchlihen iſt. Das ſind freilih Anſichten, welche wohl von Edelmut und Milde der Geſinnung, aber von ſehr wenig Kenntnis des ſtinkenden Gaſtes Zeugnis geben. Denn dieſer hat wie Meiſter Reineke vom Eigentum eigentlich gar keinen Begriff und betrachtet den Menſchen höchſtens als einen gutmütigen Kauz, welcher ihm durch ſeine Geflügel- oder Kaninchenzuht dann und wann zu einem le>eren Gerichte verhilft.

Ehe wir Meiſter Naß auf ſeinen Naubzügen weiter verfolgen und uns mit ſeinem übrigen Leben beſchäftigen, wollen wir uns zu ſeiner beſſeren Kennzeichnung mit den Beobachtungen vertraut machen, welche Lenz an gezähmten anſtellte: ſie werden weſentlih dazu dienen, das Bild des Tieres zu zeichnen. „Am 4. Auguſt kaufte ih 5 halbwüchſige Zltiſſe, that ſie in eine große Kiſte und warf ihnen 10 lebende Fröſche, eine lebende Blindſchleiche und eine tote Droſſel hinein. Am folgenden Morgen waren 8 Fröſche verzehrt, die Vlindſ{hleihe und Droſſel noh niht angerührt. Am zweiten Tage verzehrten ſie die beiden lebenden Fröſche, die Blindſchleiche, 3 Hamſter und eine 2 Fuß lange Ringelnatter. Jn der folgenden Nacht fraßen ſie die Droſſel und 6 Fröſche ſowie eine faſt meterlange, lebende Ringelnatter. Am dritten Tage ſpeiſten ſie wiederum Fröſche nebſt zwei großen, toten Kreuzottern und eine Eidechſe. Am vierten Tage fraßen ſie 4 Hamſter und 3 Mäuſe. Am fünften Tage brachte ih einen Fltis in eine Kiſte allein, gab ihm Futter vollauf und, als ex ſatt war, eine große, jedo<h matte Kreuzotter. Als ih na< einer Stunde wieder hinkam, hatte er ihr den Kopf zerbiſſen und ſie in eine Ede gelegt. Nun ließ ih eine große, re<t biſſige