Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

606 Vierte Drdnung: Naubtiere; dritte Familie: Marder.

ſie in ſeinen Wohnungen zu Dußenden. Jm Notfalle begnügt er ſi mit Heuſchre>en und Schne>en. Aber auh auf den Fiſchfang geht er aus und lauert an Bächen, Seen und Teichen den Fiſchen auf, ſpringt plößlih nah ihnen ins Waſſer, taucht und pakt ſie mit großer Gewandtheit; im Winter ſoll er ſie ſogar unter dem Eiſe hervorholen. Außerdem frißt er ſehr gern Honig und Früchte. Seine Blutgier iſt ebenfalls groß, jedo< nicht #o groß wie bei den eigentlichen Mardern. Er tötet in der Regel nicht alles Geflügel eines Stalles, in welchen er ſih geſchlihen, ſondern nimmt das erſte beſte Stück und eilt mit ihm nach ſeinem Schlupfwinkel, wiederholt aber ſeine Jagd mehrere Male in einer Nacht. Mehr als andere Marderarten hat er die Gewohnheit ſi<h Vorratskammern anzulegen, und niht ſelten findet man in ſeinen Löchern hübſche Mengen von Mäuſen, Vögeln, Eiern und Fröſchen aufgeſpeichert. Seine Behendigkeit macht es ihm leicht, ſi< immer zu verſorgen.

In Oſtſibirien ändert der Fltis, nah Nadde, ſeine Lebensweiſe. Er bleibt den Dichten Wäldern meiſtens fern, wählt aber auh niht wie in Europa die Anſiedelungen der Menſchen zu ſeinem Lieblingsaufenthalte. Wo Wälder ſind, bevorzugt er die Ränder derſelben oder ſucht die Heuſchläge auf, welche Feld- und Spißmäuſe anlo>en; mehr noh ſagt ihm der öde und feſte Boden der Hochſteppen zu, weil er hier ſein Hauptwild, die Bobaks oder Steppenmurmeltiere, in größerer Menge findet, ebenſo wie in den tro>eneren Teilen der Hochgebirge ihn eine Zieſelart zu feſſeln weiß. Jn den dauriſchen Hochſteppen, wo ſein Daſein eng an die genannten Murmeltiere geknüpft iſt, ſorgt er für die lange Winterszeit/ in welcher leßtere ſ{<lafen, ſehr liſtig, indem er ſchon im Herbſte, wenn das Erdreich noh nicht gefroren iſt, tiefe Nöhren gräbt, welche nah den dann noch leeren Neſtern der Murmeltiere führen; hier läßt er aber, ſobald er merkt, daß er dem Neſte nahe iſt, eine dünne Erdſchicht ſtehen, die er erſt im Winter dur<hbricht, wenn die Murmeltiere, welche die von ihnen ſelbſtgegrabenen Nöhren verſtopfen, im Winterſchlafe liegen.

Alle Bewegungen des Fltis ſind gewandt, raſch und ſicher. Er verſteht meiſterhaft zu ſchleichen und unfehlbare Sprünge auszuführen, läuft bequem über die dünnſte Unterlage, flettert, ſhwimmt, taucht, kurz, macht von allen Mitteln Gebrauch, welche ihm nügen können. Dabei zeigt er ſich ſchlau, liſtig, behutſam, vorſichtig und mißtrauiſ<h, ſehr ſharfſinnig und, wenn ex angegriffen wird, mutig, zornig und biſſig, alſo ganz geeignet, großartige Räubereien auszuführen. Nach Art der Stinktiere verteidigt er ſi< im Notfalle dur<h Ausſprißen einer ſehr ſtinkenden Flüſſigkeit und ſchre>t dadurch oft die ihn verfolgenden Hunde zurü. Seine Lebenszähigkeit iſt unglaublih groß. Er ſpringt ohne Gefahr von bedeutender Höhe herab, erträgt Shmerzen aller Art faſt mit Gleihmut und erliegt nur unverhältnismäßig ſtarken Verwundungen.

Die Rollzeit des Fltis fällt in den März. An Orten, wo er häufig iſt, gewahrt man, daß Männchen und Weibchen ſi< von Dach zu Dach verfolgen, oder daß zwei Männchen ihre nebenbuhleriſ<hen Kämpfe ausfe<hten. Dabei ſchreien alle ſehr laut, beißen ſi< niht ſelten ineinander feſt und rollen, zu einem Knäuel geballt, über die Dächer herab, fallen zu Boden, trennen ſih ein wenig und beginnen den Tanz von neuem. Nach zweimonatiger Tragzeit wirft das Weibchen in einer Höhle und noch lieber in einem Holz- oder Reiſighaufen 4=5, zuweilen auh 6 Funge, gewöhnlih im Mai. Die Mutter liebt ihre Kleinen ungemein, ſorgt ſür ſie auf das zärtlihſte und beſhügt ſie gegen jeden Feind; ja, ſie geht zuweilen, wenn ſie in der Nähe ihres Neſtes Geräuſch vernimmt, au<h unangefohten auf Menſchen los. Nach etwa ſe<s Wochen langer Kindheit gehen die Fungen mit der Alten auf Raub aus, und nah Ablauf des dritten Monats ſind ſie faſt ebenſo groß geworden wie dieſe.

Man kann junge Fltiſſe dur< Kaßenmütter ſäugen laſſen und zähmen, erlebt jedoch niht viele Freude an ihnen, weil der angeborene Blutdurſt mit der Zeit dur<bri<ht und ſie dann jedem harmloſen Haustiere nachſtellen. Mehrere Gefangene, welche in einem Raume