Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Jltis: Nahrung. Fortpflanzung. Kühnheit. Pelzwerk. 607

leben müſſen, vertragen ih keineswegs immer gut, fallen im Gegenteile oft wütend übereinander her, kämpfen auf Tod und Leben zuſammen und freſſen die von ihnen erwürgten Mitbrüder auf, ſo daß zuleßt oft nur der Stärkſte übrigbleibt. Doch thun Zähmung und Abrichtung viel, ſelb an Fltiſſen. Zum Austreiben der Kaninchen können ſie ebenſogut gebraucht werden wie das Frettchen; ihr Geſtank iſt aber viel heftiger als bei dieſem. Selbſt Füchſe werden von ſolchen gezähmten Fltiſſen aus ihren Bauen getrieben; denn ihr Mut iſt unverhältni8mäßig groß, und ſie greifen jedes Tier ohne weiteres an, oft in der unverſhämteſten Weiſe, wehren ſi< auh na<hdrü>li<h gegen Hunde. Menſchen gegenüber betragen ſich freilebende Jltiſſe zuweilen wahrhaft tolldreiſt und können Kindern ſogar gefährlich werden. „Jn Verna, einem Dorfe Kurheſſens,“ erzählt Lenz, „hatte ein ſe<hsjähriger Knabe ſein Brü: deren in der Nähe eines Kanals auf die Landſtraße geſeßt, um ſih die Wartung desſelben [eiter zu machen. Plößlih erſchienen drei Nate und griffen das Kind an. Der eine ſeßte ſich im Genie feſt, der andere an der Seite des Kopfes und der dritte an der Stirn. Das Kind ſchrie laut auf, der Bruder wollte ihm zu Hilfe kommen, allein aus dem Kanal eilten noh andere Rate herbei und wollten ihn angreifen. Glücklicherweiſe kamen zwei Männer vom Felde den Kindern zu Hilfe und ſchlugen zwei von den Raten tot, worauf die übrigen Tiere abließen. Fn Riga drang ein Raß durch ein Loh dur den Fußboden in die Stube, fiel über ein in der Wiege liegendes Kind, tötete es und biß es an der linken Wange an. Jn Schnepfenthal wurde ſogar ein Hirt von einem Fltiſſe angegriffen, der freilich ſeine Kühnheit mit dem Leben bezahlen mußte.“

Wegen des bedeutenden Schadens, welchen das Tier anrichtet, iſt es faſt überall einer ſehr lebhaften Verfolgung ausgeſeßt. Man gebraucht alle üblichen Waffen und Fallen, um es zu erbeuten. Wo man ſehr von Mäuſen geplagt iſt, thut man wohl, den Rag laufen zu laſſen und die Mühe, welche ſein Fang verurſachen würde, lieber auf Ausbeſſerung und dichten Verſchluß der Hühnerſtälle zu verwenden.

Das Fell des Fltis liefert ein warmes und dauerhaftes Pelzwerk welches aber ſeines anhaltenden und wirkli< unleidlihen Geruches wegen weit weniger geſchäßt wird, als es ſeiner Dichtigkeit halber verdient. Neuerdings erſt iſt es etwas mehr zu Ehren gekommen und wird ſelbſt von den empfindſamſten Damen ohne Widerſtreben getragen. Nach Lomer gelangen gegenwärtig jährlih ungefähr 600,000 Fltisfelle, welche einen Geſamtwert von etwa 2 Millionen Mark haben, auf den Rauhwarenmarkt. Die beſten liefern Holland, die Bayriſche Hochebene, Norddeutſchland und Dänemark, weniger gute Ungarn und Polen, die geringſten Rußland und Aſien. Jn Rußland herrſchen kleine ſ{hwärzlihe, in Aſien hellgelbliche, welche einen ſehr geringen Preis haben, entſchieden vor. Die Mehrzahl der Felle wird in den betreffenden Ländern ſelbſt gebraucht, eine niht unbedeutende Anzahl aber auh na< Sweden und Finnland ausgeführt. Aus den langen Shwanzhaaren fertigt man Pinſel; das Fleiſch iſt vollkommen unbrauchbar und wird ſogar von den Hunden verachtet.

Außer den Menſchen ſcheint der Naß wenig Feinde zu haben. Gute Jagdhunde fallen ihn allerdings wütend an, falls ſie ihn nur erreihen können, und beißen ihn gewöhnlich bald lot; außerdem dürfte wohl bloß no< Reineke ſein Gegner ſein. Lenz beſchreibt in ergößlicher Weiſe, wie im Käfig der Fuchs einem Fltis mitſpielt: „Der Fus, welcher nah ſeinem Fleiſhe durchaus nit le>ert und es, wenn der Jltis tot iſt, gar nicht einmal freſſen mag, kann doch gegen den lebenden Rag ſeine. Tüte nicht laſſen. Er ſchleiht heran, liegt lauernd auf dem Bauche, ſpringt plöblih zu, wirft den Rag übern Haufen und iſ ſhon weit entfernt, wenn jener ſih wütend erhebt und ihm die Zähne weiſt. Der Fuchs fommt wieder, ſpringt ihm mit großen Sägen entgegen und verſeßt ihm in dem Augenbli>e, wenn er ihn zu Boden wirft, einen Biß in den Rücken, hat aber ſhon wieder losgelaſſen, ehe jener ſi< rächen kann. Jeßt ſtreicht er von fern im Kreiſe um den Rat herum, welcher