Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Wieſel: Raubweiſe. Fortpflanzung. Gefangenleben. 617

die hauptſächlichſte Urſache dieſer Hinfälligkeit gefunden werden: das Wieſel ärgert ſich, falls man ſo ſagen darf, zu Tode. Anders verhält es ſih, wenn man junge, womöglih no< blinde Wieſel aufzieht, beziehentlich ſie dur< eine ſanfte Kaßenmutter aufſäugen läßt; ſie, welche ſi< von Kindheit auf an den Menſchen gewöhnen, werden ungemein zahm und dann zu wirkli allerliebſten Geſchöpfen. Unter den verſchiedenen Geſchichten, welche von ſolchen Wieſeln berichten, ſcheint mir eine von Frauenhand niedergeſchriebene, welhe Wood in ſeiner „Natural History“ mitteilt, die anmutigſte zu ſein, und deshalb will ih ſie im Auszuge wiedergeben.

„Wenn ih etwas Milch in meine Hand gieße“, ſagt die Dame, „trinkt mein zahmes Wieſel davon eine gute Menge; ſ{<werli<h aber nimmt es einen Tropfen der von ihm ſo geliebten Flüſſigkeit, wenn ih ihm nicht die Ehre anthue, ihm meine Hand zum Trinkgefäße zu bieten. Sobald es ſi geſättigt hat, geht es ſchlafen. Mein Zimmer iſt ſein gewöhnlicher Aufenthaltsort, und ih habe ein Mittel gefunden, ſeinen unangenehmen Geruch dur wohlriehende Stoffe vollſtändig aufzuheben. Bei Tage ſ<hläft es in einem Polſter, zu deſſen JFunern es Eingang gefunden hat; während der Nacht wird es in eine Ble<hbüchſe in einem Käfig verwahrt, geht aber ſtets ungern in dieſes Gefängnis und verläßt es mit Vergnügen. Wenn man ihm ſeine Freiheit gibt, ehe ih wah werde, kommt es in mein Bett und krieht nach tauſend luſtigen Streichen unter die De>e, um in meiner Hand oder an meinem Buſen zu ruhen. Bin ih aber bereits munter geworden, wenn es erſcheint, ſo widmet es mir wohl eine halbe Stunde und liebkoſt mi auf die verſchiedenſte Weiſe. Es ſpielt mit meinen Fingern wie ein kleiner Hund, ſpringt mir auf den Kopf und den Naen oder klettert um meinen Arm oder um meinen Leib mit einer Leichtigkeit und Zierlichkeit, welche ih bei feinem anderen Tiere gefunden habe. Halte ih ihm in einer Entfernung von 1 m meine Hand vox, ſo ſpringt es in ſie hinein, ohne jemals zu fallen. Es bekundet große Geſchicklichkeit und Liſt, um irgend einen ſeiner Zwe>e zu erreichen, und ſcheint oft das Verbotene aus einer gewiſſen Luſt am Ungehorſam zu thun.

„Bei ſeinen Bewegungen zeigt es ſich ſtets achtſam auf alles, was vorgeht. Es ſchaut jede Ribe an und dreht ſih nah jedem Gegenſtande hin, welchen es bemerkt, um ihn zu unterſuchen. Sieht es ſi in ſeinen luſtigen Sprüngen beobachtet, ſo läßt es augenbli>li< nah und zieht es gewöhnli< vor, ſih ſ{hlafen zu legen. Sobald es aber munter geworden iſt, bethätigt es ſofort ſeine Lebendigkeit wieder und beginnt ſeine heiteren Spiele ſogleich von neuem. Jh habe es nie ſchlecht gelaunt geſehen, außer wenn man es eingeſperrt oder zu ſehr geplagt hatte. Fn ſolchen Fällen ſuchte es dann ſein Mißvergnügen dur kurzes Gemurmel auszudrüden, gänzlih verſchieden von dem, welches es ausſtößt, wenn es ſi wohl befindet.

„Das kleine Tier unterſcheidet meine Stimme unter zwanzig anderen, ſucht mich bald heraus und ſpringt über jeden hinweg, um zu mir zu kommen. Es ſpielt mit mix auf das lieben3würdigſte und liebkoſt mich in einer Weiſe, welche man ſi niht vorſtellen kann. Mit ſeinen zwei leinen Pfötchen ſtreiht es mi oft am Kinne und ſieht mih dabei mit einer Miene an, welche ſein großes Vergnügen auf das beſte ausdrüt. Aus dieſer ſeiner Liebe und tauſend anderen Bevorzugungen meiner Perſon erſehe ih, daß ſeine Zuneigung zu mir eine wahre und nicht eingebildete iſt. Wenn es bemerkt, daß ih mich ankleide, um auszugehen, will es mi gar nicht verlaſſen, und niemals kann ih mi< ſo ohne Umſtände von ihm befreien. Liſtig, wie es iſt, verkriecht es ſi<h gewöhnlih in ein Zimmer an der Ausgangsthür, und ſobald ih vorbeigehe, ſpringt es plößlich auf mich und verſucht alles mögliche, um bei mix zu bleiben.

„n ſeiner Lebendigkeit, Gewandtheit, in der Stimme und in der Art ſeines Gemurmels ähnelt es am meiſten dem Eihhörnhen. Während des Sommers rennt es die ganze