Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

618 Vierte Ordnung: Raubtiere; dritte Familie: Marder.

Nacht hindurch im Hauſe umher; ſeit Beginn der kälteren Zeit aber habe ih dies niht mehr beobachtet. Es ſcheint jezt die Wärme ſehr zu vermiſſen, und oft, wenn die Sonne ſcheint und es auf meinem Bette ſpielt, dreht es ſi<h um, ſeßt ſi in den Sonnenſchein und murmelt dort ein Weilchen.

„Waſſer trinkt es bloß, wenn es Milch entbehren muß, und auch dann immer mit großer Vorſicht. Es ſcheint juſt, als wolle es ſih nur ein wenig abkühlen und ſei faſt erſhre>t über die Flüſſigkeit; Milch hingegen trinkt es mit Entzücken, jedo<h immer bloß tropfenweiſe, und ih darf ſtets nur ein wenig von der ſo beliebten Flüſſigkeit in meine Hand gießen. Wahrſcheinlich trinkt es im Freien den Tau in derſelben Weiſe wie bei mir die Milch. Als es einmal im Sommer geregnet hatte, reihte ih ihm etwas Regenwaſſer in einer Taſſe und lud es ein, hinzugehen, um ſih zu baden, erreichte aber meinen Zwe> niht. Hierauf befeuchtete ih ein Stückchen Leinenzeug in dieſem Waſſer und legte es ihm vor, darauf rollte es ſi<h mit außerordentlihem Vergnügen hin und her.

„Eine Eigentümlichkeit meines reizenden Pfleglings iſt ſeine Neugier. Es iſt geradezu unmöglich, eine Kiſte, ein Käſtchen oder eine Büchſe zu öffnen, ja bloß ein Papier anzuſehen, ohne daß au<h mein Wieſel den Gegenſtand beſchaut. Wenn ich es wohin lo>en will/ brauche ich bloß ein Papier oder ein Buch zu nehmen und aufmerkſam auf dasſelbe zu ſehen, dann erſcheint es plößgli<h bei mix, rennt auf meiner Hand hin und ſchaut mit größter Aufmerkſamkeit auf den Gegenſtand, welchen ih betrahte. Jh muß ſchließli<h bemerken, daß das Tier mit einer jungen Kate und einem Hunde, welche beide ſhon ziemlih groß ſind, gern ſpielt. Es klettert auf ihren Na>en und Rücken herum und ſteigt an den Füßen und dem Schwanze empor, ohne ihnen jedo<h au<h nur das leiſeſte Ungemach zuzufügen.“

Der Herausgeber der artigen Geſchichte bemerkt nun noh, daß das Tierchen hauptſählih mit kleinen Stückchen Fleiſch gefüttert wurde, welche es ebenfalls am liebſten aus der Hand ſeiner Herrin annahm.

Dies iſ} niht das einzige Beiſpiel von der vollſtändig gelungenen Zähmung des Wieſels. Ein Engländer hatte ein jung aus dem Neſte genommenes ſo an ſi<h gewöhnt, daß es ihm überall folgte, wohin ex au< ging, und andere Tierfreunde haben die niedlichen Geſchöpfe dahin gebracht, daß ſie nah Belieben nicht nur im Hauſe herumlaufen, ſondern auch aus- und eingehen durften.

Bei guter Behandlung kann man das Wieſel 4—6 Fahre am Leben erhalten; in der Freiheit dürfte es ein Alter von 8—10 Fahren erreichen. Leider werden die kleinen, nüßlichen Geſchöpfe von unwiſſenden Menſchen vielfah verfolgt und aus reinem Übermute getötet. Jn Fallen, welhe man mit Eiern, kleinen Vögeln oder Mäuſen ködert, fängt ſich das Wieſel ſehr leiht. Oft findet man es auch in Rattenfallen, in welche es zufällig geraten iſt. Wegen des großen Nußtens, den es ſtiftet, ſollte man das ausgezeihnete Tier fräftig ſhügen, anſtatt es zu verfolgen. Man kann dreiſt behaupten, daß zur Mäuſejagd fein anderes Tier ſo vortrefflih ausgerüſtet iſt wie das Wieſel. Der Schade, welchen es anrihtet, wenn es zufällig in einen ſ{<le<tverſ<loſſenen Hühnerſtall oder Taubenſchlag gerät, kommt dieſem Nuzen gegenüber gar niht in Betracht. Doch iſt gegen Vorurteile aller Art leider nur ſ{<wer anzukämpfen. Nicht genug, daß man die Thätigkeit des Tieres vollfommen verkennt, ſhmü>t man auch ſeine Geſchichte noh mit mancherlei Fabeln aus. Unter vielen iſt noh hier und da die Meinung verbreitet, daß das Wieſel ſeine Jungen aus dem Munde gebäre , jedenfalls deshalb, weil man die Mutter oft ihre Jungen von einem Orte zum anderen tragen ſieht und dabei zufällig niht an die Hausfkaße denft, welche doh genau dasſelbe thut. Außerdem glaubt man, daß alle Tiere, welche mit ihm in Berührung fommen oder von ihm gebiſſen werden, an den betreffenden Stellen bösartige Geſchwülſte bekommen, und fürchtet namentli<h für Kühe, welche den Biſſen mehr als alle anderen