Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Hermelin: Farbenwechſel. Lebensweiſe. Kühnheit. 621

Das Hermelin hat eine ſehr ausgedehnte Verbreitung im Norden der Alten Welt. Nordwärts von den Pyrenäen und dem Balkan findet es ſi in ganz Europa, und außerdem fommt es in Nord- und Mittelaſien bis zur Oſtküſte Sibiriens vox. Fn Kleinaſien, Perſien und Afghaniſtan hat man es ebenfalls angetroffen, ja ſelbſt im Himalaja will man es beobachtet haben, jedenfalls hat Henderſon eins in Kaſchmir geſchoſſen. Jn allen Ländern, in denen es vorkommt, iſt es auh nicht ſelten, in Deutſchland ſogar eins der häufigſten Raubtiere.

Wie dem Wieſel, iſt au<h dem Hermelin jede Gegend, ja faſt jeder Ort zum Aufenthalte re<t, und es verſteht ſih überall ſo behaglih als möglih einzurihten. Erdlöcher, Maulwuxrf- und Hamſterröhren, Felsklüfte, Mauerlöcher, Rißen, Steinhaufen, Bäume, unbewohnte Gebäude und hundert andere ähnliche Schlupforte bieten ihm Dbdah und Verſte>e während des Tages, welchen es größtenteils in ſeinem einmal gewählten Baue verſ<läft, obwohl es gar niht ſelten auh angeſihts der Sonne im Freien luſtwandelt und ſi dreiſt den Bli>ken des Menſchen ausſeßt. Seine eigentliche Fagdzeit beginnt jedoch erſt mit der Dämmerung. Schon gegen Abend wird es lebendig und rege. Wenn man um dieſe Zeit an paſſenden Orten vorübergeht, braucht man nicht lange zu ſuchen, um das klugäugige, ſharfſinnige Weſen zu entde>en. Findet man in der Nähe einen geeigneten Plat, um ſih zu verſte>en, ſo kann man ſein Treiben leiht beobachten. Ungeduldig und neugierig, wie es iſt, vielleicht au<h hungrig und ſehnſüchtig nah Beute, kommt es hervor, zunächſt bloß um die unmittelbarſte Nähe ſeines Schlupfwinkels zu unterſuchen. Alle Behendigfeit, Gewandtheit und Zierlichkeit ſeiner Bewegungen offenbaren ſich jeßt. Bald windet es ſih wie ein Aal zwiſchen den Steinen und den Schößlingen des Unterholzes hindurch; bald ſißt es einen Augenbli> bewegungslos da, den ſ{hlanken Leib in der Mitte hoh aufgebogen, viel höher noch, als es die Kate kann, wenn ſie den nah ihr benannten Bu>el macht; bald bleibt es einen Augenbli> vor einem Mauſeloche, einer Maulwurfshöhle, einer Ribe ſtehen und ſhnuppert da hinein. Auch wenn es auf einer und derſelben Stelle verharrt, iſt es niht einen Augenbli> ruhig; denn die Augen und Ohren, ja ſelbſt die Naſe, ſind in beſtändiger Bewegung, und der kleine Kopf wendet ſih blibſhnell nah allen Richtungen. Man darf wohl behaupten, daß es in allen Leibesübungen Meiſter iſt. Es läuft und ſpringt mit der größten Gewandtheit, Élettert vortrefflih und ſhwimmt unter Umſtänden raſh und ſicher über breite Gewäſſer.

Mit ſeiner Leibesgewandtheit ſtehen die geiſtigen Eigenſchaften des Hermelins vollſtändig im Einklange. Es beſißt denſelben Mut wie ſein kleiner Vetter und eine nicht zu bändigende Mordluſt, verbunden mit dem Blutdurſte ſeiner Gattung. Auch das Hermelin kennt feinen Feind, welcher ihm wirklih Furcht einflößen könnte; denn ſelbſt auf den Menſchen geht es unter Umſtänden tolldreiſt los. Man ſollte niht glauben, daß es dem erwachſenen Manne ein wenigſtens läſtiger Gegner ſein könnte: und doch iſt dem ſo. „Ein Mann“ ſo erzählt Wood, „welcher in der Nähe von Crilade ſpazieren ging, bemerkte zwei Hermeline, welche ruhig auf ſeinem Pfade ſaßen. Aus Übermut ergriff er einen Stein und warf nah den Tieren und zwar ſo geſchhi>t, daß er eins von ihnen traf und es durch den kräftigen Wurf über und über ſchleuderte. Fn demſelben Augenbli>e ſtieß das andere einen eigentümlichen, ſcharfen Schrei aus und ſprang ſofort gegen den Angreifer ſeines Gefährten, fletterte mit einer überraſchenden Schnelligkeit an ſeinen Beinen empor und verſuchte ſich in ſeinem Halſe einzubeißen. Das Kriegsgeſchrei war von einer ziemlichen Anzahl anderer Hermeline, welche ſih in der Nähe verborgen gehalten hatten, erwidert worden, und dieſe famen jeßt ebenfalls herbei, um dem mutigen Vorkämpfer beizuſtehen. Der Mann raffte zwar ſchleunigſt Steine auf, in der Hoffnung, jene zu vertreiben, mußte ſie aber bald genug fallen laſſen, um ſeine Hände zum Schuße ſeines Nackens frei zu bekommen. Er hatte