Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

622 Vierte Ordnung: Naubtiere; dritte Familie: Marder.

gerade hinlänglich zu thun; denn die gereizten Tierchen verfolgten ihn mit der größten Ausdauer, und er verdankte es bloß ſeiner di>en Kleidung und einem warmen Tuche, daß er niht ernſtlih verleßt wurde. Doch waren ſeine Hände, ſein Geſicht und ein Teil ſeines Halſes immer no< mit Wunden bede>t, und er behielt dieſen Angriff in ſo gutem Andenken, daß er hoh und teuer’gelobte, niemals wieder ein Hermelin zu beleidigen.“ Daß der Mann feine Unwahrheit berichtet hat, beweiſt nachſtehende Angabe des Kreisphyſikus Hengſtenberg. „Jh erlaube mir“, ſchreibt derſelbe unterm 8. Auguſt 1869 an mi<h, „Mitteilung von einer Thatſache zu machen, welche Fhnen vielleicht niht unwichtig erſcheinen dürfte. Vorgeſtern gegen Abend ſpielt das fünfjährige Kind des Bahnhofsinſpektors Braun in Bochum am Nande eines Grabens, gleitet aus und fällt mit der Hand in dieſen. Mit Blißesſnelle ſchießt ein Hermelin auf das Kind zu und beißt es zweimal in die Hand. Heftig blutend eilt dieſes nah Hauſe, wo eine zufällig gegenwärtige barmherzige Schweſter den erſten Verband übernimmt. Jh werde hinzugerufen und finde die Speichenſhlagader vollſtändig durhgeriſſen und bogenförmig ſprißend. Die Wunde hatte ganz die halbkreisförmige Geſtalt des Kiefers des Tieres; etwas höher, nah dem Ballen des Daumens zu, fand ſich eine regelmäßig eingeriſſene Hautwunde vor. Jch vermute, daß das Tierchen in der Nähe der Stelle, an welcher das Kind fiel, Funge hatte, dieſelben bedroht glaubte, ſie verteidigen wollte und deshalb die Wunde beibrachte.“

Das Hermelin jagt und frißt faſt alle Arten kleiner Säugetiere und Vögel die es erliſten kann, und wagt ſich gar nicht ſelten au<h an Beute, welcher es an Leibesgröße bedeutend nachſteht. Mäuſe, Maulwürfe, Hamſter, Kaninchen, Sperlinge, Lerchen, Tauben, Hühner, Schwalben, welche es aus den Neſtern holt, Schlangen und Eidechſen werden beſtändig von ihm befehdet, und ſelbſt Haſen ſind niht vor ihm ſicher. Lenz hat einmal beobachtet wie fünf Hermeline bei einem Gartenzaune einem franken Haſen zu Leibe gingen, um ihn zu erwürgen. Engliſche Naturforſcher verſichern, daß das freche Tier auch geſunde überfalle. Hope hörte Lampes lauten Angſtſhrei und wollte nah dem Orte hingehen, um ſi< von der Urſache zu überzeugen. Er ſah einen Haſen dahinhinken, welcher offenbar von irgend etwas auf das äußerſte gequält wurde. Dieſes etwas hing ihm an der Seite der Bruſt wie ein Blutegel angeſaugt, und beim Näherkommen erkannte unſer Beobachter, daß es ein Wieſel wax. Der Haſe ſchleppte ſeinen fur<htbaren Feind noch mit ſih fort und verſhwand im Unterholze; wahrſcheinlih kam er niht mehr weit. Man hat auch dieſe Thatſache beſtreiten wollen; doch unterliegt ſie keinem Zweifel. Schon Gesner weiß von Angriffen des Hermelins auf Haſen zu berichten: „Dem Haſen ſol es liſtiglih nachſtellen, dann es ſpilt und [himpfſt ein weyl mit jm, und ſo er müd, ſih der feyndſchafft nit verſicht, ſo ſpringt es jm an ſeinen halß und gurgel, hangt, tru>t vnd erwürgt jn, ob er gley< in dem louff ift.“

Auch neuerdings ſind von Naturxforſchern, deren Glaubwürdigkeit keinen Zweifel zuläßt, hierauf bezügliche Beobachtungen gemacht worden. „Es iſt bekannt“ erzählt Karl Müller, „daß das Hermelin ein gefährlicher Feind des Haſen iſt und namentli<h im Sommer, wenn die üppige Saat und das hoh gewachſene Gras dem kleinen Schelm das Lauern an heimlihen Pläßchen oder das Anſchleichen begünſtigt, oft reiche Beute unter den feigen Bewohnern der Felder macht; einmal habe ih das Glück gehabt, in den Beſiß des ſterbenden Haſen ſamt dem im Blutgenuſſe trunkenen Hermelin zu gelangen. Troß alledem hielt ih es niht für möglich, daß ein einziges Hermelin im ſtande wäre, in einem Zeitraume von wenigen Wochen ein halbes Dugend Haſen zu überliſten und zu morden, bis ih im Spätſommer des Jahres 1865 Gelegenheit fand, mich eines beſſeren zu überzeugen. Mehrere Wegebauer unweit Alsfelds waren gegen Abend ſchon etliche Male dur das Klagen eines Haſen aufmerkſam gemacht worden, ohne ſih in den Hafera>ter, aus welchem die Angſttöne herüberſchallten, zu begeben, bis endlih ein Kenner der jagdbaren Tiere ſih entſ<loß, der

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