Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1

Hermelin: Angriffe auf Menſchen. Beutetiere. 623

Urſache nachzuſpüren. Am dritten Abende ſeiner Anweſenheit vernahm er wiederum die Klagetöne eines Haſen, lief eilig der Richtung zu und ſah, näher gekommen, in immer enger geſchloſſenen Kreislinien die Haferhalme ſih bewegen; plößlih ward es ſtille, und nah wenigen Augenbli>en des Suchens fand er den alten Haſen zu>end am Boden liegen. Als er denſelben aufheben wollte, kam unter ihm das Shwänzchen eines Hermelins zum Vorſchein. Sofort tritt der derbe Bauer auf den Haſen, um das Raubtier zu erdrücken, läßt auch ſeinen Fuß ſo lange mit dem ganzen Gewichte ſeines Körpers auf dem Halſe des Haſen ruhen, bis das Shwänzchen kein Zeichen des Lebens mehr verrät. Kaum aber lüftet er den Fuß, ſo ſpringt taumelnd der kleine Mörder unter dem verendeten Haſen hervor und ſtellt ſich zähnefletſchend ihm gegenüber. Nun ſchlägt er dieſen noh glü>li<h mit einem Hatenſtiel auf den Kopf und rächt ſomit das gefallene Opfer. Die Unterſuchung ergibt, daß die kleine Wunde vom Biſſe des Hermelins vorn am Halſe ſih befindet. Zur Stelle geführt, überzeugte ih mich von den Spuren der Mordſzene, und bei dieſer Gelegenheit fanden die SteinÉlopfer teilweiſe im Hafera>er, zum Teil in dem angrenzenden Graben fünf getötete, vorzugsweiſe an Kopf und Hals angefreſſene Haſen. Mit Ausnahme eines einzigen waren es junge, ſogenannte halbwüchſige und Dreiläufer, alle noh ziemlich friſ<h. Die Leute, welche noh 14 Tage lang in der Nähe der erwähnten Stelle Steine klopften, nahmen einen neuen Fall des Angriffs des Hermelins auf einen Haſen niht wahr, ein Beweis, daß der erſchlagene der alleinige Mörder geweſen war.“ Ein ſolhes Vorkommnis gehört übrigens, wie ih bemerken will, immer zu den Ausnahmen; es ſind ſtets bloß einzelne Hermeline, welche ſi derartige Übergriffe erlauben, nachdem ſie einmal erfahren haben, wie leicht es für ſie iſt, ſelbſt dieſes unverhältnismäßig große Wild zu töten. Sie lernen dur< Erfahrung wie Tiger und Parder. „Es iſt eine eigentümliche Thatſache“, bemerkt Bell welcher das erſt erwähnte Beiſpiel mitteilt, „daß ein Haſe, welcher von dem Hermeline verfolgt wird, ſeine natürliche Begabung nicht benußt. Selbſtverſtändlih würde er mit wenigen Sprüngen aus dem Bereiche aller Angriffe gelangen, wie er einem Hunde oder Fuchſe entkommt; aber er ſcheint das leine Geſchöpf gar niht zu beachten und hüpft gemähli<h weiter, als gäbe es tein Hermelin in der Welt, obwohl ihm dieſe ſtumpfe Gleichgültigkeit zuweilen zum Verderben wird.“

Allerliebſt ſieht es aus, wenn ein Hermelin eine ſeiner Lieblingsjagden unternimmt, nämlich eine Waſſerratte verfolgt. Gedahtem Nager wird von dem unverbeſſerlichen Strolche zu Waſſer und zu Lande nachgeſtellt und, ſo ungünſtig das eigentliche Element dieſer Ratten dem Hermeline auch zu ſein ſcheint, zuleßt doh der Garaus gemacht. Zuerſt ſpürt das Raubtier alle Löcher aus. Sein feiner Geruch ſagt ihm deutlih, ob in einem von ihnen eine oder zwei Ratten gerade ihrer Ruhe pflegen oder nicht. Hat das Hermelin nun eine beuteverſprechende Höhle ausgewittert, ſo geht es ohne weiteres hinein. Die Ratte hat natürlich nichts CEiligeres zu thun, als ſi entſegt in das Waſſer zu werfen, und iſt im Begriffe, durch das Schilfdikicht zu ſhwimmen; aber das rettet ſie niht vor dem unermüdlichen Verfolger und ihrem ärgſten Feinde. Das Haupt und den Na>en über das Waſſer emporgehoben, wie ein ſhwimmender Hund es zu thun pflegt, durchgleitet das Hermelin mit der Behendigkeit des Fiſchotters das ihm eigentli<h fremde Element und verfolgt nun mit ſeinex bekannten Ausdauer die fliehende Ratte. Dieſe iſt verloren, wenn nicht ein Zufall ſie rettet. Kletterfünſte helfen ihr ebenſowenig wie Verſte>enſpielen. Der Räuber iſt ihr ununterbrochen auf der Fährte, und ſeine Raubtierzähne ſind immer no< ſ{<limmer als die ſtarken und ſcharfen Schneidezähne des Nagers. Der Kampf wird unter Umſtänden ſelbſt im Waſſer ausgeführt, und mit der erwürgten Beute im Maule ſ{<wimmt dann das behende Tier dem Ufer zu, um ſie dort gemächlih zu verzehren. Wood erzählt, daß einige Hermeline eine zahlreiche Anſiedelung von Waſſerratten in wenig Tagen zerſtörten.